Angriff auf Torwart in Amsterdam:"Ich dachte, er hat ein Messer"

Lesezeit: 3 min

In den Niederlanden debattieren Sportler, Fans und Funktionäre aufgeregt die Attacke eines Zuschauers auf den Torwart des AZ Alkmaar im Pokalspiel bei Ajax Amsterdam. Weil der Angreifer bereits ein Stadionverbot hatte, fordern Politiker Vorbeugehaft für Hooligans. Der Torwart spricht nun über seine Angst, während der Fußballverband seine rote Karte annulliert.

Der niederländische Fußball steht weiterhin unter dem Eindruck des Angriffs eines Zuschauers auf den Torwart des AZ Alkmaar, Esteban Alvarado, während des Pokalspiels in der Amsterdam Arena. Der Fußballverband KNVB hat die rote Karte für Alvarado inzwischen für ungültig erklärt. Ob das Spiel wiederholt werden soll, ist noch unklar.

YouTube

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von YouTube angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von YouTube angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Bei der Achtelfinalbegegnung zwischen Ajax und Alkmaar war ein 19-Jähriger auf das Spielfeld gerannt und auf Alvarado zugestürmt. Der Schlussmann aus Costa Rica verteidigte sich, Schiedsrichter Bas Nijhuis schickte den Keeper mit Rot vom Platz. Begründung: Alvarado habe noch zweimal nach dem Fan getreten, als dieser bereits am Boden lag. Daraufhin rief Alkmaars empörter Trainer Gert Jan Verbeek sein Team zusammen, und die Gästespieler gingen beim Stand von 0:1 in der 37. Minute geschlossen vom Feld.

Bevor Alvarado, der sich selbst nur Esteban nennt, zu seinem Weihnachtsurlaub nach Costa Rica abgeflogen ist, hat er am Flughafen in Amsterdam der costaricanischen Sportzeitung Al Día noch ein Interview gegeben. Darin beschreibt er den Hergang der Szene aus seiner Sicht: "Die Leute begannen zu pfeifen, der Schiedsrichter deutete hinter mich. Als ich mich umdrehte, sah ich ihn auf mich zuspringen und ich musste seinem Tritt ausweichen. Er wollte mich schlagen."

Alvarado spricht von großer Angst, "ich dachte zuerst, er hat ein Messer". So erklärt er auch seine folgenden zwei Tritte auf den Angreifer, als dieser schon am Boden lag. "Wenn Sie sich verteidigen, denken Sie nicht über ein oder zwei Tritte nach. Ich hatte Angst, dass der Mann bewaffnet war."

Alvarado erstattete Anzeige, muss aber nach Informationen der niederländischen Nachrichtenagentur ANP wegen seiner Fußtritte selbst mit einer Befragung durch die Polizei rechnen. Schiedsrichter Nijhuis verteidigte den Platzverweis mit Hinweis auf Regel 12 der Fifa-Statuten. "Ich musste Rot geben, auch wenn es Selbstverteidigung war. Das sagen die Regeln."

Strafverteidiger sprangen dem Torwart zur Seite. "Es war reine Selbstverteidigung, ein sogenannter Selbstverteidigungsexzess", sagte der renommierte Anwalt Geertjan van Oosten der Zeitung Telegraaf, und TV-Advokat Peter Plasman ergänzte: "Es geht darum, wie Esteban die Situation aufgefasst hat. Er wusste nicht, mit wem er es zu tun hatte, was der Mann vorhatte und ob er eventuell bewaffnet war."

Der Klub Ajax Amsterdam entschuldigte sich inzwischen: "Das ist ein schrecklicher Vorfall, den wir als Verein sehr bedauern. Wir bieten unsere ehrlich gemeinte Entschuldigung an", erklärte Ajax-Finanzdirektor Jeroen Slop auf der Internetseite des Klubs. "Wir finden das sehr schlecht und das wird der Junge zu spüren bekommen." Sportdirektor Danny Blind reagierte geschockt: "Was für ein Wahnsinn. Das ist ein Drama und ein historischer Tiefpunkt für Ajax."

Sport-Bildband "Visions of Sport"
:Vorsicht vor dem grimmigen Mülllaster

Das beste aus zwölf Millionen Sport-Fotografien: Die amerikanische Bildagentur Getty Images hat ihre Archive durchforstet und bringt ein Buch mit den beeindruckendsten Sportaufnahmen heraus. Mit dabei sind große Sportmomente wie Muhammad Alis K.-o.-Schlag gegen Sonny Liston - aber auch andere "gewichtige" Szenen.

Eine Auswahl der schönsten Bilder

Der 19 Jahre alte Angreifer war bereits wegen früherer Vergehen von Ajax mit einem Stadionverbot von drei Jahren bestraft worden, wie Slop im Sender Radio 1 sagte. Von einem Dauerkartenbesitzer hatte der Täter eine Eintrittskarte erhalten. Ein namentlich nicht genannter Ajax-Fan sagte, dass der Täter von Anfang an die Absicht hatte, das Spiel zu stören, um bekannt zu werden.

Sport-Bildband "Visions of Sport"
:Vorsicht vor dem grimmigen Mülllaster

Das beste aus zwölf Millionen Sport-Fotografien: Die amerikanische Bildagentur Getty Images hat ihre Archive durchforstet und bringt ein Buch mit den beeindruckendsten Sportaufnahmen heraus. Mit dabei sind große Sportmomente wie Muhammad Alis K.-o.-Schlag gegen Sonny Liston - aber auch andere "gewichtige" Szenen.

Eine Auswahl der schönsten Bilder

Als Zugang habe er die Nordtribüne gewählt, die nicht so stark kontrolliert werde, weil sich dort auch der Behinderteneingang befinde. Über eine Rollstuhlrampe war der Täter dann aufs Spielfeld gelangt. Der 19-Jährige sitzt noch in Untersuchungshaft. Die Polizei hat ihn wegen Misshandlung angezeigt, Ajax Amsterdam wegen Hausfriedensbruch. Abgesehen von einem Strafverfahren droht ihm nun ein lebenslanges Verbot, niederländische Fußballstadien zu betreten.

Die Ajax-Fanklubs stellen sich deutlich gegen den Angreifer: "Das war so ein Abend, an dem 35.000 Menschen Lust auf ein schönes Fußballspiel hatten. Sie werden dann Opfer eines Idioten", schreibt der offizielle Ajax-Fanklub SVA auf seiner Webseite. Auch die Vereinigung des oft gefürchteten harten Kerns der Ajax-Fans (AFCA) distanziert sich nachdrücklich "von dem Verhalten eines Verrückten, der die Atmosphäre für die echten Fans verdirbt". "Das Verhalten eines Individuums, das innerhalb der Ajax-Gruppen unbekannt ist, beschädigt Ajax und die echten Fans schwer. Wir entschuldigen uns aufrichtig bei Torwart Esteban, den AZ-Spielern und Betreuern. Das war Ajax-unwürdig", teilt AFCA mit.

Nach dem Spielabbruch war es am Mittwochabend zu Ausschreitungen wütender Fußball-Fans gekommen. Die Polizei rückte vor dem Stadion mit Wasserwerfern an und nahm acht mutmaßliche Randalierer fest - vier wegen Gewaltanwendung und vier wegen des illegalen Einsatzes von Feuerwerkskörpern.

Inzwischen haben auch Politiker am Regierungssitz in Den Haag auf die Attacke reagiert. Justizminister Ivo Opstelten fand die Reaktion des AZ-Trainers Gertjan Verbeek richtig, seine Spieler nach dem Zwischenfall in die Kabine zu schicken. "AZ konnte nicht weiterspielen, das sage ich als Fußballfan und nicht als Minister", erklärte Opstelten. Eine harte Bestrafung des Täters forderte Gesundheits- und Sportministerin Edith Schippers.

Am 26. Januar findet im Parlament in Den Haag ein Treffen zwischen den Abgeordneten, dem KNVB, der Staatsanwaltschaft, der Polizei, Rechtsanwälten und den Fanklubs statt. Auf der Tagesordnung steht die Verschärfung des Gesetzes gegen Vandalismus im Fußball. Nach Meinung vieler Experten ist eine Verbesserung der Meldepflicht von mit Stadionverboten bestraften Hooligans notwendig. Ziel ist es, an Spieltagen diese Hooligans in Vorbeugehaft zu nehmen, um solche Zwischenfälle zu verhindern. Ajax-Finanzdirektor Slop stellte fest: "Bei einer Meldepflicht wäre der Zwischenfall nicht passiert. Dann wäre der Täter von der Polizei während der Spieldauer festgehalten worden." Die Politiker forderten von den Klubs auch eine bessere Kontrolle auf die von ihnen verhängten Stadionverbote.

© dapd/sid/dpa/sueddeutsche.de/hum - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: