Angelique Kerber bei den US Open:Wuchtige Aufschläge und wacklige Nerven

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Vertraute Geste des Triumphs: Angelique Kerber bei den US-Open. (Foto: Paul Zimmer/Imago)

Angelique Kerber gewinnt in der dritten Runde eine spektakuläre Partie gegen die frühere Siegerin Sloane Stephens - und muss nun im Achtelfinale gegen die erst 18 Jahre alte Laylah Fernandez ran.

Von Jürgen Schmieder, New York

Wer nur fünf Minuten Zeit hat und dennoch wissen möchte, wie die US-Open-Partie zwischen Angelique Kerber und Sloane Stephens verlaufen ist, dem sei das Aufschlagspiel von Stephens bei 5:3 im ersten Satz empfohlen. Es gab zu sehen: wuchtige Aufschläge und grandiose Returns, krasse Winkel beim taktischen Grundlinienspiel, wahnwitzige Laufwege, spektakuläre Schläge und noch spektakulärere Konter. Es gab aber auch zu sehen: Doppelfehler, wackelige Nerven, zittrige Hände, groteske Bälle ins Aus - kurz: alles, was Tennis zu einer spannenden und faszinierenden Sportart macht.

Kerber gewann diese Drittrunden-Partie 5:7, 6:2, 6:3, und als Fünf-Minuten-Zusammenfassung würde auch auch das 5:3 im dritten Satz taugen. Oder das 2:1 im zweiten. Ach, seien wir doch mal ehrlich: Es war eine Highlight-Partie, man könnte jede, wirklich jede fünf Minuten dieses Spiels gucken und wäre restlos begeistert.

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"Es war ein Auf und Ab - irgendwann habe ich nicht mehr an den Spielstand gedacht, nicht nur jeden Ballwechsel für sich betrachtet, sondern jeden einzelnen Schlag", sagte Kerber danach: "Es war am Ende ein mentaler Kampf, weil gegen sie unfassbar schwierig zu spielen ist: Ihr Aufschlag ist gut, sie spielt sehr hoch und will immer nach vorne. Ich bin ja eher eine defensive Spielerin."

Es war schon deshalb eine interessante Partie, weil sich da zwei Spielerinnen von komplett verschiedenen Enden des Tennisspektrums begegneten: Stephens, die Elegante, die lieber Tennis spielt als arbeitet; die Bälle mit viel Spin ein wenig höher übers Netz spielt und dabei jeden Quadratzentimeter des Feldes nutzt; ihr unterlaufen dabei jedoch hin und wieder leichte Fehler, sie erlebt dann kleine Krisen in Matches. Und Kerber, die Unermüdliche, die Siege beim Tennis als Lohn der harten Arbeit interpretiert; die Gegnerinnen auch mal dominieren lässt und jeden Quadratzentimeter des Feldes erlaufen kann; die geduldig auf leichte Fehler wartet und jede noch so kleine Krise der Kontrahentin gnadenlos nutzt - oder mit ihren flachen Kontern diese Krisen herbeiführt.

Stephens wirkte, als hätte sie weder Angst noch Respekt vor Kerber

Ein Duell der Herangehensweise an diese Sportart also, zu Beginn dominierte die Elegante. Stephens schickte gerade ihre Rückhand-Cross immer wieder auf eine spektakuläre Reise, der Ball berührte meist die Linie und erreichte dann die Quadratzentimeter abseits des Spielfeldes - jene, die selbst Kerber nicht mehr erlaufen konnte. Bei Angriffen von Kerber, die wahrlich nicht ungefährlich sind, reagierte die Amerikanerin gelassen, bisweilen blockte sie den Ball einfach nur die Linie lang. Das war fast frech, denn das ist gewöhnlich eine Stärke von Kerber.

Stephens wirkte so, als hätte sie weder Angst noch Respekt vor Kerber - in den vergangen neun Jahren hatte sie alle vier Duelle gewonnen, allerdings fanden die meisten in Spielzeiten oder Phasen statt (2015, '17 und '18), in denen es nicht besonders lief bei Kerber. Diesmal war es ein Duell auf Augenhöhe, und es war nicht so, dass Kerber im ersten Satz schlecht gespielt hatte; nach dem schwachen Beginn kämpfe sie sich tapfer heran. Stephens war in den Moment, die so einen Satz dann entscheiden, einfach ein klein wenig aggressiver, mutiger und deshalb auch erfolgreicher.

So wie der erste Durchgang ein Sloane-Stephens-Satz war, so war der zweite eine Angelique-Kerber-Sache. Ihre Schläge waren druckvoller und interessanterweise auch präziser; doch so ist das nun mal bei Kerber: Wenn sie selbstbewusst agiert, fügen sich Tempo und Präzision, und plötzlich wird die Gegnerin kürzer, wackeliger, nicht mehr unverwundbar. Für jemanden, der nicht mit beiden Spielweisen vertraut ist, müssen 98 Prozent der Ballwechsel gleich ausgesehen haben, und doch endete der eine Satz 5:7 und der andere 6:2 aus der Sicht von Kerber.

Kerber beweist, wie grandios sie spielen kann, wenn sie selbstbewusst auftritt

Der dritte Satz: ein Duell mit offenem Visier, das nicht nur spannend war, sondern ein echter Leckerbissen, weil beide verzweifelt versuchten, der anderen ihren Willen aufzuzwingen. "Es sind dann einige wenige Punkte, die über so ein Match entscheiden", sagte Kerber danach. Moment mal: Hatte sie nicht gerade gesagt, nur von Punkt zu Punkt gedacht zu haben? "Ja, das ist schon so, dass man gerade in engen Momenten, im dritten Satz zum Beispiel, bemerkt, dass es jetzt um jeden einzelnen Ballwechsel geht - es wird dann auch ein mentales Duell", sagte sie. "Dann ist es aber die Kunst, bei sich zu bleiben und den Schalter umzulegen, ein bisschen mutiger zu sein." So war es dann am Ende des entscheidenden Durchgangs: Kerber übernahm die Kontrolle, Stephens unterliefen die Fehler.

Es scheint, als fühle sie diesen Groove wieder bei diesem Turnier, das sie 2016 gewonnen hatte. Sie hat die Siegerin von 2017 besiegt, und nun kommt es wider Erwarten nicht zum Duell gegen die Gewinnerin von 2018 und 2020: Die erst 18 Jahre alte Leylah Fernandez (Kanada) besiegte Naomi Osaka 5:7, 7:6 (2), 6:4. Osaka kündigte anschließend eine Pause vom Tennis an.

"Ich bemerke jetzt, dass der Respekt der anderen wieder da ist, das tut natürlich gut", resümierte Kerber. "Die Fitness ist da, und ich weiß, dass ich enge Matches gegen wirklich gute Spielerinnen gewinnen kann. Das führt zu einer Gelassenheit, bei der man sich sagt: 'Bleib' ruhig, die Chance wird kommen.'"

Kerber kommt selbstbewusst daher bei diesen US Open, völlig zurecht, und wie grandios sie spielen kann, wenn sie selbstbewusst auftritt, das hat sie gegen Stephens gezeigt. Sollte sie es vergessen, kann sie sich ja nochmal fünf Minuten dieser Partie angucken. Völlig egal welche.

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