American Football:Der Meister steht unter Schummelverdacht

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Tendenz fallend: Spielmacher Tom Brady und seine New England Patriots sind wieder einmal tief gesunken in der Gunst des Publikums. (Foto: Elise Amendola/dpa)
  • Die New England Patriots sehen sich in der NFL mit schweren Vorwürfen konfrontiert.
  • Der Meister soll die Cincinnati Bengals mit unlauteren Videoaufnahmen ausspioniert haben.
  • Die Patriots spielen den Vorfall herunter.

Von Joachim Mölter, München

Es geht abwärts mit den New England Patriots, darin sind die Beobachter der amerikanischen Football-Profiliga NFL sich einig. Am Wochenende ist der Titelverteidiger in der American Football Conference (AFC), einer der beiden NFL-Untergruppen, schon mal auf Platz zwei zurückgerutscht, hinter die Baltimore Ravens (11:2 Siege). Und die Tendenz der mit 10:3 Erfolgen notierten Patriots zeigt sogar noch weiter nach unten: Zuletzt verloren sie ja zweimal nacheinander, erst 22:28 bei den Houston Texans, dann wurden sie am Sonntag im heimischen Gillette-Stadion 16:23 von den Kansas City Chiefs rasiert. Es war die erste Heimniederlage nach 21 Erfolgen, seit fast drei Jahren also. Während New England weiter die beste Abwehr der Liga stellt, ist die Offensive ins Stocken geraten und aktuell nur noch Mittelmaß.

Bei den Patriots werden sie nun etwas nervös, sie müssen sich zweifellos Sorgen machen, was die im Januar anstehenden Playoffs angeht. Aber gleich so sehr, dass sie den nächsten Gegner mit unlauteren Mitteln ausspionieren? Die Cincinnati Bengals? Das schlechteste Team der ganzen Liga, mit einer Bilanz von 1:12 Siegen?

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Genau das ist der Vorwurf, der seit Montag im Raum steht. Da wurde bekannt, dass eine Videocrew der Patriots tags zuvor bei der Partie der Cleveland Browns gegen die Bengals unerlaubterweise gefilmt hat, wie Cincinnatis Coaches ihren Profis Zeichen für die nächsten Spielzüge gegeben haben. Wer solche Signale entschlüsselt, weiß, was er beim nächsten Angriff zu erwarten hat, kann die Mannschaft also darauf einstellen und ist somit im Vorteil.

Vor zwölf Jahren wurde der Klub schon einmal überführt

New England gibt das Vergehen zwar prinzipiell zu, versucht aber, es herunterzuspielen. "Wir haben von den Cleveland Browns eine Genehmigung für die Videocrew beantragt und erhalten, es aber versehentlich versäumt, die Bengals und die Liga zu informieren", teilte der Klub am Montagabend mit. Die Aufnahmen seien für eine Videokolumne auf ihrer Homepage gewesen, fügten die Patriots hinzu, für eine Episode von "Do Your Job", in der den Fans ein Blick hinter die Kulissen gewährt wird.

In diesem Fall ging es um die Arbeit eines Scouts, also eines Spielebeobachters. Die Videocrew filmte aber nicht nur den Scout auf der Tribüne, was ja noch in Ordnung gewesen ist, sondern schwenkte die Kamera halt auch mal aufs Spielfeld, was die NFL-Regeln aber eben verbieten. Das hätten die freiberuflich tätigen Filmproduzenten leider nicht gewusst, erklärten die Patriots. Die NFL hat das Video erst mal konfisziert, aber noch keinen Kommentar zu dem Zwischenfall abgegeben.

Dessen Brisanz ergibt sich aus der jüngeren Geschichte der New England Patriots. Die haben unter Führung von Chefcoach Bill Belichick, 67, und Spielmacher Tom Brady, 42, seit dem Jahr 2000 nicht nur neunmal das NFL-Finale um den Super Bowl erreicht und den Titel dabei sechsmal gewonnen. Sie haben sich in dieser Zeit auch den Ruf erarbeitet, dass ihnen für den Erfolg alle Mittel recht sind. Vor zwölf Jahren wurde der Klub schon einmal überführt, mithilfe von Videoaufnahmen einen Gegner ausspioniert zu haben, damals die New York Jets. Der dafür verantwortlich gemachte Cheftrainer Belichick musste die Höchststrafe bezahlen, eine halbe Million Dollar. Die Affäre blieb als "Spygate" in Erinnerung, in Anlehnung an den "Watergate"-Skandal, der einst die üblen Machenschaften des US-Präsidenten Richard Nixon offenbarte und ihn aus dem Amt beförderte.

Sieben Jahre später, also 2014, folgte der nächste aufgedeckte Schummelskandal von New England - "Deflategate". Im Halbfinal-Heimspiel gegen die Indianapolis Colts (45:7) hatten Betreuer so viel Luft aus den Footbällen gelassen, dass diese nicht mehr vorschriftsmäßig aufgepumpt waren. Profitiert hat davon vor allem der Quarterback Tom Brady, der dann auch als Mitwisser dieses Regelverstoßes verurteilt und für die ersten vier Spiele der Saison 2016 gesperrt wurde.

Angesichts dieser Vorgeschichten ist es kein Wunder, dass die Patriots erneut im Verdacht sind, sich unerlaubte Vorteile verschaffen zu wollen - selbst gegen den Tabellenletzten. In den amerikanischen Medien firmiert die neue Affäre jedenfalls bereits unter dem Schlagwort "Spygate 2.0". Bill Belichick versichert nachdrücklich, dass er und seine Football-Abteilung "absolut nichts damit zu tun" haben, was die TV-Produzenten seines Klubs machen: "Das ist etwas, worin wir zu hundert Prozent null verwickelt sind."

© SZ vom 11.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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