Amsterdam in der Champions League:Mit 69 Prozent Ballbesitz verloren

Lesezeit: 3 min

Enttäuscht raus: die Spieler von Ajax Amsterdam. (Foto: Peter Dejong/AP)

Ajax stürmt, Ajax drängt - und doch scheitert das Team von Trainer Erik ten Hag an Benfica Lissabon. Im Viertelfinale gelten die Portugiesen nun als jener Underdog, gegen den es kompliziert werden könnte.

Von Felix Haselsteiner, Amsterdam/München

In der Schlussviertelstunde musste man schon genauer hinsehen, um zu erkennen, dass es sich bei den Männern in den schwarzen Trikots wirklich um die Spieler von Benfica Lissabon handelte. So geschickt, so nah an der Grenze zum Zeitspiel und so defensivstark verteidigten die Portugiesen ihren 1:0-Vorsprung aus der 77. Minute, dass sowohl Diego Simeone als auch die große Mehrheit der italienischen Catenaccio-Spezialisten stolz auf die Mannschaft gewesen wären.

Ajax Amsterdam fand schlichtweg keine Lösung mehr - und verlor deshalb ein Spiel, das über weite Strecken eigentlich dazu bestimmt war, einen anderen Verlauf zu haben. Einen, der Ajax Amsterdam ins Viertelfinale der Champions League gebracht hätte und nicht Benfica Lissabon.

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Ajax-Trainer Erik ten Hag ist längst dafür bekannt, seine Mannschaft in einem perfektionistischen Ballbesitzsystem spielen zu lassen. An den besten Tagen gibt es wenige Mannschaften auf der Welt, die den Ball so gut laufen lassen können wie die Niederländer. Die ersten 45 Minuten des Rückspiels gegen Benfica zählten vielleicht nicht zu jenen allerbesten Tagen, aber Ajax war anzumerken, dass die volle Kontrolle den Sieg und damit - nach dem 2:2 im Hinspiel - den Einzug in die nächste Runde bringen sollte.

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69 Prozent Ballbesitz erspielten sich die Niederländer bis zum Schluss, auch die Bilanz von 16 zu vier Torschüssen sprachen eine eindeutige Sprache. Gerade in der ersten Halbzeit fand Ajax immer wieder Wege in den Benfica-Strafraum, Sebastian Haller hatte in der siebten Minute bereits den Ball ins Tor bugsiert, sein Treffer zählte allerdings wegen Abseitsstellung von Vorlagengeber Dusan Tadic nicht. Die Abschlusssituationen spielte Ten Hags Mannschaft allerdings nicht zielstrebig genug aus, weshalb Torwart Odisseas Vlachodimos keine echten Schwierigkeiten hatte - und in der zweiten Halbzeit auch deutlich weniger zu halten.

Steht im Viertelfinale: Julian Weigl, in der Bundesliga vor allem bekannt aus seiner Zeit beim BVB. (Foto: Piroschka van de Wouw/Reuters)

Benfica nämlich kam etwas besser ins Spiel und verhinderte immerhin im eigenen Strafraum die meisten Chancen: Ajax hätte eigentlich nur durch einen Kopfball von Flügelstürmer Antony in der 62. Minute in Führung gehen können, Haller hingegen - mit elf Toren bester Torjäger der aktuellen Champions-League-Saison - blieb unauffällig. Stattdessen traf auf der anderen Seite sein Konterpart: Darwin Nunez, 22 und einer der talentiertesten Stürmer in Europa, erzielte in der 77. Minute nach einem Freistoß das 1:0 für Benfica, Ajax-Torwart Andre Onana segelte durch den Strafraum und lud den Uruguayer geradezu zum Tor ein. Nunez verwertete mit dem Kopf und machte deutlich: Wer immer im Viertelfinale auf Benfica treffen wird, muss sich auf den von der halben europäischen Elite umworbenen kraftvollen Stürmer einstellen.

Dass die Portugiesen mit dem knappen Vorsprung durchkamen, lag auch daran, dass Ajax zwar bis zur letzten Minute die spielbestimmende Mannschaft blieb, aber nicht mehr zurück in die gefährlichen Zonen kam. Für Ten Hag und seine Mannschaft, in der Gruppenphase noch ungeschlagen, blieb ein erneuter Erfolg wie der Einzug ins Halbfinale 2019 damit aus, obwohl er den Niederländern rein spielerisch auch diesmal zuzutrauen gewesen wäre. Benfica hingegen verteidigte die Führung mit einer Atlético-artigen Defensivreihe und dürfte ein unangenehmer Gegner im Viertelfinale werden.

"Wir wissen, dass wir mit dem Ball ein besseres Spiel hätten machen können", sagte Benficas deutscher Mittelfeldchef Julian Weigl nach dem Spiel selbstkritisch im Interview bei Dazn. Es sei nicht von Anfang an der Plan gewesen, so defensiv zu stehen und dem Ball fernzubleiben: "Wir hatten schon den Plan, uns aus dem Pressing zu lösen, Ajax hat das aber sehr gut gemacht." Für die Portugiesen sei der erste Viertelfinaleinzug seit 2015/16 eine "geile Sache", damals schied Benfica knapp gegen den FC Bayern aus.

Im Feld der Viertelfinalisten sind die Portugiesen nun erneut die Underdogs, was auch Weigl bewusst ist, der interessanterweise ausgerechnet nach dem hart erkämpften Erfolg in Amsterdam noch einmal auf die eigentliche große Stärke Benficas - Heimspiele im Estadio da Luz, dem Stadion des Lichts - verwies: "Jedes Team, das auf uns treffen wird, muss in unserem Stadion erst einmal bestehen."

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