Würzburger Kickers:Keine Lust auf Holzbänke

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Ralf Santelli (Foto: Julien Christ/Beautiful Sports/imago)

Der abstiegsbedrohte Drittligist stellt Trainer Danny Schwarz frei, befördert Ralf Santelli - und begnadigt im Zuge des Trainerwechsels Stürmer Marvin Pourié.

Von Sebastian Leisgang

Es soll ja tatsächlich Menschen geben, die nicht jeden Tag an die Würzburger Kickers denken. Das ist natürlich schade, genau genommen ist es sogar ein großes Versäumnis, weil die Leute eine ganze Menge verpassen von diesem kurzweiligen Schauspiel, das da seit ein paar Monaten auf dem Dallenberg zur Aufführung kommt. Andererseits: Ist es überhaupt noch jemandem zu verdenken, wenn er sich nicht mehr die Mühe macht, wirklich jeden einzelnen Trainerwechsel zur Kenntnis zu nehmen und sich darüber hinaus vielleicht sogar noch den Namen des Neuen zu merken? Allmählich haben es ja sogar diejenigen schwer, den Überblick zu behalten, die auswendig aufsagen können, wann der momentane Fußball-Drittligist in welcher Liga gespielt hat. Ja, auch diejenigen, die auf dem Laufenden sind, müssen erst mal in sich gehen, um alle Trainer fehlerfrei aufzuzählen, die in den vergangenen eineinhalb Jahren auf der Würzburger Bank gesessen haben. Wer war das gleich nochmal?

Bevor es losging mit dem ganzen Chaos, war doch der da, der immer Schwäbisch geschwätzt hat. Michael Schiele hieß der, einer vom Fach, sehr sympathisch, und die Mannschaft spielte damals auch noch ziemlich gut. Dann ging es aber ziemlich schnell bergab. Erst kam der mit der Glatze, dem Felix Magath nur ein paar Wochen später hinterherrief, er könne in Ruhe weiterarbeiten - nur halt woanders. Als der dann auch wieder weg war, saß ein anderer mit Glatze auf der Bank, und dann, als es auch mit dem nicht mehr ging, da kam noch ein Dritter mit Glatze.

Ein paar Wochen später stiegen die Kickers ab, und der Neue, Ziegner oder so, der hatte merkwürdigerweise keine Glatze und sprach zu allem Überfluss auch noch Sächsisch. Weil es irgendwann nicht mehr voranging, musste im vergangenen Oktober wieder ein Schwabe her, doch jetzt ist der auch nicht mehr da: Die Würzburger Kickers haben Danny Schwarz von seinen Aufgaben entbunden.

"Wenn die Haare nicht richtig liegen, schneiden wir es raus", sagte Ralf Santelli, als er am Donnerstag wieder im Medienraum am Dallenberg Platz nahm und in die Kameras schaute. Santelli war der - Moment, nochmal nachzählen - der Dritte aus dem Vorjahr, der eine Glatze trug und Bernhard Trares ablöste, den Abstieg mit neun Punkten aus neun Spielen aber nicht mehr abwenden konnte. Nun ist er zurück, nachdem er wieder als Leiter des Nachwuchszentrums gearbeitet hatte, und soll die Kickers vor dem Sturz in die Regionalliga bewahren. Es ist eine große Aufgabe - schließlich ist die Mannschaft seit über drei Monaten sieglos und steht bereits sechs Punkte hinter einem Nichtabstiegsplatz.

"Wollt ihr nächstes Jahr in Rosenheim auf einer Holzbank sitzen?", fragte Santelli die Journalisten bei seiner Rückkehr. Am Abend zuvor war er noch bei einem lokalen Radiosender zu Gast gewesen. "Da bin ich gefragt worden: Gibt's was Neues? Man munkelt in der Stadt", berichtete Santelli, "da habe ich gesagt: Und genau deswegen wohne ich auf dem Land, habe kein Internet und lese keine Zeitung." Als Santelli wenig später den Sender verließ, sah er einen verpassten Anruf von Sebastian Neumann, dem Sportdirektor der Kickers.

Jetzt ist Santelli wieder da und muss eine dynamische Gemengelage unter Kontrolle bringen, die sich in den vergangenen Wochen unter Schwarz verselbstständigt hat. Anders lässt sich ein Spiel wie das am Montagabend ja nicht mehr erklären. Beim 1:2 in Saarbrücken ging Würzburg nach nur 86 Sekunden in Führung und war deutlich überlegen, doch dann kassierte die Mannschaft erst ein irreguläres Gegentor nach einer Ecke, dann verhalf Torwart Hendrik Bonmann dem Gegner mit einem groben Fehler zum Siegtreffer, ehe Linksverteidiger Peter Kurzweg in der Nachspielzeit auch noch eine vollkommen überflüssige Rote Karte sah.

Die 90 Minuten von Saarbrücken waren derart einschneidend, dass sie auch diese Frage aufwarfen: Wie soll die Mannschaft unter der Führung von Schwarz überhaupt noch einmal gewinnen, wenn sie auf diese Art und Weise verliert?

In den vergangenen Wochen hatte Neumann noch zu Schwarz gehalten, doch jetzt rückte er von ihm ab und entschied sich in Person von Santelli für einen Trainer, der vor allem eines ist: Fußballlehrer im Wortsinn.

Santelli, 53, gilt als Fachmann, der seiner Arbeit mit Liebe zum Detail nachgeht. Um die Jahrtausendwende arbeitete er als Torwarttrainer beim SSV Ulm und bei Hannover 96 an der Seite von Ralf Rangnick, nun löst er Danny Schwarz ab und steht selbst in der ersten Reihe. "Ich coache anders - nicht besser, nicht schlechter, aber anders", sagte Santelli am Donnerstag, "vielleicht habe ich auch einen anderen Zugang zu den Spielern. Dadurch verspreche ich mir, die Puzzleteile mit meiner Erfahrung besser und schneller zusammenzusetzen." Teil des Puzzles ist auch Marvin Pourié. Zu Beginn des Jahres war der Angreifer nach einem Vorstoß des Mannschaftsrates suspendiert worden und trainierte seitdem fernab des Teams - jetzt ist er zurück und soll den Kickers schon am Samstag wieder helfen. Dann kommt der MSV Duisburg an den Dallenberg, zu einem Kellerduell mit wegweisendem Charakter.

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