1860 München:Ein 0:0 wie Knoblauch

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Für Münchens Phillipp Steinhart war das Spiel bereits nach 13 Minuten beendet, Schiedsrichter Leonidas Exuzidis zeigte ihm Rot. (Foto: Frank Kruczynski/Imago)

In Aue bleibt der TSV 1860 München unter Trainer Argirios Giannikis weiter ungeschlagen. Die neue sportliche Leitung beim Drittligisten versucht, den großen Streit im Verein zu ignorieren.

Von Christoph Leischwitz

Selbst für 1860-Verhältnisse war es wieder eine aufregende Woche gewesen, es gab ein Flutlicht-Heimspiel (1:1 gegen Sandhausen), bei dem sich die eigenen Fans verbal angingen und sich der Präsident "Reisinger raus"-Rufe anhören musste; dafür bekam der so gut wie geschasste Vizepräsident Hans Sitzberger auf der Haupttribüne Applaus. Es gab einen Post unbekannter Herkunft in den sozialen Medien, der die gesamte Investorenseite im Stile eines RAF-Fahndungsplakats der 1970er-Jahre darstellte und auf den der Klub mit einer Stellungnahme reagierte; es gab vier Zu- und zwei Weggänge, wobei bisher nicht so richtig klar ist, wie das Budget solch eine Vergrößerung des Kaders zulässt. Und zuletzt gab es dann noch den Rauswurf des kaufmännischen Geschäftsführers, dessen Arbeit 40 Stunden nach Schließung des Transferfensters offensichtlich nicht mehr benötigt wurde - der Nachfolger von Marc-Nicolai Pfeifer, Oliver Mueller, wird am Montag offiziell vorgestellt.

So saß statt Pfeifer am Samstag beim Auswärtsspiel in Aue Christian Werner mit auf der Bank, aber nicht nur der neue Sport-Geschäftsführer dürfte sich gedacht haben: Der Aufenthalt im Erzgebirge gehörte zu den weniger aufregenden Phasen dieser Woche. Zwar wurde das Spiel gegen Ende noch zur Zitterpartie, auch, weil Phillipp Steinhart 13 Minuten nach seiner Einwechslung eine berechtigte rote Karte sah (86.). Am Ende stand aber doch ein leistungsgerechtes 0:0. Ein Ergebnis, mit dem einerseits Trainer Argirios Giannikis leben konnte. Er verwies darauf, zum ersten Mal ohne Gegentor geblieben zu sein, und dass "wir weiter ungeschlagen sind" - nach nunmehr fünf Pflichtspielen unter seiner Leitung. Andererseits ist es ein Resultat, das eine ähnliche Wirkung hat wie Knoblauch: Es senkt vielleicht den Blutdruck bei all jenen, die sich schon seit Längerem nicht mehr riechen können.

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Drei der insgesamt fünf Neuen im Kader (Eigengewächs Moritz Bangerter, 19, unterschrieb einen Profivertrag) kamen in Aue zum Einsatz, einer davon von Beginn an: Max Reinthaler profitierte von der Gelbsperre des Kapitäns Jesper Verlaat, der als Co-Kommentator im Bayerischen Fernsehen mitfieberte (und passend zum ruhigen Wochenende gar nicht nach den aktuellen Tumulten gefragt wurde). "Wir haben ein gutes Spiel gemacht und sehr wenig zugelassen", freute sich Reinthaler nach seinem Debüt, das allerdings nach 72 Minuten wegen eines Zwickens im Oberschenkel ein vorzeitiges Ende fand. Allzu schlimm scheint die Verletzung des erfahrenen Innenverteidigers aber nicht zu sein, zumindest schloss der 1,93 Meter große Südtiroler am Magentasport-Mikrofon eine Zwangspause aus.

Mit knapp 35 Sachen: Die neuen Löwen-Zugänge sind vor allem schnell

Die eingewechselten Offensivspieler Serhat-Semih Güler (26, von Hansa Rostock) und Abdenego Nankishi (21, Heracles Almelo) konnten sich nicht entscheidend in Szene setzen. Die beste Möglichkeit hatte der immer selbstbewusster auftretende Julian Guttau (17.), als er mit einem Flachschuss den Pfosten traf - der Ball rollte dann vom Rücken des Keepers Martin Männel gefährlich lange an der Torlinie entlang, doch kein Sechziger kam heran. Glück hatten die Löwen auf der anderen Seite, dass der eingewechselte Sean Seitz gleich dreimal in aussichtsreicher Position das Tor nicht traf (73., 80., 89.).

Durch die rote Karte für Steinhart nach einer üblen Grätsche auf Höhe der Mittellinie habe man noch einmal Stabilität verloren, sagte Giannikis. Für den Routinier auf der Linksverteidiger-Position wird es möglicherweise schwer, sich nach der Sperre wieder in die Startelf zu spielen. In Leroy Kwadwo stand dort diesmal schon ein gelernter Innenverteidiger, offensichtlich, weil der 31-jährige Routinier Steinhart Geschwindigkeitsdefizite hat. Insbesondere mit Blick auf die neuen Spieler ist auffällig, dass Giannikis im Löwen-Kader offenbar ein Defizit ausgemacht hat: fehlendes Tempo. In der Pressemitteilung zur Verpflichtung von Eliot Muteba vom 1. FC Nürnberg II hieß es, nicht ohne Stolz: "Mit Eliot holen wir den schnellsten Spieler aller Regionalligen zu den Löwen, der wie alle offensiven Neuzugänge des Winters eine Geschwindigkeit von über 34,5 km/h erreichen kann."

Gesagt hat das der neue Sport-Geschäftsführer Christian Werner, der in seinen ersten öffentlichen Auftritten etwas ausstrahlt, was 1860 München gerade dringend braucht: bürokratische Gelassenheit. Zum Abschied des Kollegen Pfeifer wollte er vor der Kamera nicht viel sagen, dies sei eine "Gesellschafter-Angelegenheit", die kurze Zusammenarbeit mit dem kaufmännischen Geschäftsführer sei jedoch sehr positiv gewesen. Zu den aktuell Verpflichteten erklärte er, dass man nicht die "reine Torgefahr" habe holen wollen, vielmehr habe man gezielt nach "Add-ons" gesucht, die im Kader noch fehlten. Und er ergänzte: "Jeder Spieler, der zu uns geht, weiß, dass es bei uns nicht ganz so ruhig ist" - was Werner aber ziemlich ruhig festhielt. Sechzig München habe andere "Assets".

Außer der Strahlkraft eines Traditionsklubs gibt es da aktuell jedoch wenig Anreize. Die sportliche Welt ist alles andere als heil, denn die Abstiegsränge bleiben weiter nah. Der Kader wird in seiner ganzen Breite gebraucht werden, zumal für den neuen Trainer und die komplett neue Geschäftsführung jetzt schon die zweite englische Woche ansteht: Am Dienstagabend (19 Uhr) empfangen die Sechziger Rot-Weiss Essen, einen Ex-Klub von Giannikis. So positiv es auch für ihn ist, immer noch ungeschlagen zu sein: Die Zeit, mit nur einem Punkt zufrieden sein zu dürfen, wird bald enden.

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