Ski alpin:Mit der Geduld eines Mönchs

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Die Österreicherin Nicole Schmidhofer und der Schweizer Beat Feuz sichern sich beim Saisonfinale die Titel der besten alpinen Abfahrer des Winters. Viktoria Rebensburg verpasst eine große Überraschung.

Von Johannes Knuth, Soldeu/München

Diesmal also drei Hundertstelsekunden. Drei läppische Hundertstel, die Mirjam Puchner besser war. Jene Österreicherin, die als eine der Letzten am Mittwoch die Chance hatte, Viktoria Rebensburg noch den Sieg in der finalen Abfahrt des Winters abzunehmen. Es wäre Rebensburgs erster Saisonsieg gewesen, mehr noch, ihr erster Weltcup-Erfolg überhaupt in der schnellsten alpinen Übung, die zuletzt oft ihre schwächste war. Und nun, beim Saisonfinale in Andorra, war sie nicht nur technisch stark, sondern entschlossen gefahren - genau das richtige Rezept für die eher leichte Piste, auf der man mit einem Fehler leicht alle Chancen verspielt. Rebensburg verteidigte lange ihre Bestzeit, fünf Hundertstel vor der Schweizerin Corinne Suter, die bei der WM vor einem Monat im Super-G noch Bronze vor Rebensburg gewonnen hatte. Damals mit einem Guthaben von zwei Hundertstel.

Und dann: War doch wieder eine Mitbewerberin flinker, deren Vorsprung man fast nur mit einem Weltraumteleskop erfassen konnte. "Klar, im ersten Moment ist es schade", beteuerte Rebensburg, aber sie sei dennoch "mega-happy". Und zwei Chancen bleiben ja noch, im Super-G am Donnerstag und im Riesenslalom. Die letzte Abfahrt der Saison endete also mit einer süß-sauren Pointe für die Deutschen, die am Mittwoch auch durch Kira Weidle (9.) und Michaela Wenig (12.) vertreten waren.

Und dann gab es ja noch zwei Kristallkugeln für die besten Schnellfahrer des Winters: Nicole Schmidhofer, 29, sicherte sich ihre erste Saison-Prämie überhaupt, bei den Männern verteidigte Beat Feuz, 32, seinen Titel aus dem Vorwinter. Der Schweizer wurde in Soldeu Sechster, knapp vor Josef Ferstl, dem einzigen deutschen Starter. Der Italiener Dominik Paris gewann derweil seine vierte Abfahrt der Saison - doch Feuz, sein Widersacher, war noch konstanter gewesen, mit einem Sieg und fünf weiteren Podiumsbesuchen. So wurden am Mittwoch auch zwei Vertreter für ihre Beharrlichkeit entlohnt, nachdem ihr Sport sie oft und heftig zurückgeworfen hatte.

Vor zwei Jahren fing Feuz an, eine ganze Saison über zu brillieren

Feuz hatte als junger Fahrer zunächst die Nebenwirkungen seines Geschäfts kennengelernt, die auch in diesem Winter die Startfelder arg ausdünnten: Knieverletzungen, Kreuzbandrisse, Meniskusschäden. Vor sechs Jahren entzündete sich sein Knie nach einer Operation, sogar eine Amputation stand kurzzeitig im Raum. Feuz kam gerade noch davon. Er schaffte fortan aber oft nur noch ein Drittel des Pensums, das die Teamkollegen trainierten. Doch für Großereignisse, für den einen Versuch an dem einen Tag, reichte die Kraft zumeist. 2015 gewann er WM-Bronze in der Abfahrt, 2017 sogar Gold beim WM-Heimspiel in St. Moritz, auch dank seines Könnens, die Ski stets mit der richtigen Dosis Kraft in den Schnee zu pressen. Und dann fing er, der in den hektischen Wintern oft so stoisch wirkt wie ein Mönch, der auf einer Verkehrskreuzung meditiert - dann fing Feuz vor zwei Jahren also plötzlich an, fast die ganze Saison über zu brillieren.

Er habe mit der Zeit nun mal gelernt, die wenigen Einheiten, die ihm sein Körper gestattet, besser zu nutzen, sagte er zu Saisonbeginn im Interview: Und überhaupt: "Als junger Fahrer denkst du dir, ich mache alles mit, obwohl dir vielleicht ein paar Dinge sogar mehr schaden als helfen."

Schmidhofer blickt auf eine nicht ganz so bewegte Karriere, aber auch sie rang oft mit den Tücken ihres Sports. Vor sieben Jahren stürzte sie so schwer, dass sie den Anschluss verlor. Sie gönnte sich etwas Abstand (und einen ausgiebigen Badeurlaub), das half offenbar, um die Lust auf den Winter neu zu entfachen. Heute führt sie nicht nur eine edle Technik, sondern auch ein unerschrockenes, bodenständiges Gemüt mit sich. Vor zwei Jahren wurde sie Weltmeisterin im Super-G, jetzt ist die erste Kristallkugel in ihrem Besitz, die sie vor den Teamkolleginnen Stephanie Vernier und Ramona Siebenhofer gewann. Das war auch ein süßer Trost für Österreichs Frauen, die bei der WM die Medaillen oft knapp verpasst hatten. Skifahren sei zwar ein Einzelsport, hatte Schmidhofer zuletzt gesagt, "aber es gibt bei uns ganz wenige Geheimnisse, wir machen auch sehr viel gemeinsam". Anders geht es wohl nicht auf der Abfahrt, die wenig verzeiht und vor allem die Geduldigen belohnt.

© SZ vom 14.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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