2. Liga: Rostock - St. Pauli:Angst vor der Dunkelheit

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Viele befürchten beim Duell Rostock - St. Pauli eine erneute Eskalation der Gewalt. Es gibt Streit und Bedenken, weil das Spiel am Montagabend stattfindet.

Ronny Blaschke

Es wäre ein Erfolg, wenn Andreas Zachhuber, Trainer des FC Hansa, am späten Montagabend nur über ein Fußballspiel sprechen dürfte. Ein Erfolg, auch im Fall einer Niederlage. Es würde bedeuten, dass es keine Schlägereien gegeben hat, dass keine Rauchbomben gezündet wurden, und dass alle Polizisten gesund sind. Dieses Szenario aber ist unwahrscheinlich, denn an diesem Montag steht das brisanteste Spiel im deutschen Profifußball auf dem Programm: Rostock empfängt in der zweiten Liga den FC St. Pauli.

Rund um Spiele zwischen Rostock und St. Pauli kam es zuletzt zu Zwischenfällen. (Foto: Foto: ddp)

Das Gedächtnis des Sports hat nicht viele positive Erinnerungen zu dieser Partie gespeichert. Im Umfeld des vorerst letzten Treffens wurden in Hamburg fünf Polizisten und drei Fans verletzt. Dramatischere Folgen hatte das Rostocker Heimspiel vor einem Jahr: Ausschreitungen, Steinwürfe, 15 Verletzte, darunter sechs Beamte.

Die Deeskalationsstrategie der Polizei war nicht aufgegangen. "Wir haben deutlich mehr Beamte im Einsatz als 2008", sagt Dörte Lemke, Sprecherin der Rostocker Polizei. Mehr als 1500 Polizisten und Ordner aus Nord- und Ostdeutschland werden am Ort sein. Nichts wollen sie dem Zufall überlassen. Davon künden Alkoholverbot und Pufferzonen im Stadion, frühe Personenkontrollen und gesperrte Straßen.

Ein Faktum konterkariert die extremen Vorbereitungen: die Anstoßzeit. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) versprach sich eine hohe Fernsehquote und wählte den Montagabend. "Aus unserer Sicht macht ein solches Spiel nur bei Tageslicht und nicht bei Dunkelheit Sinn", klagt Corny Littmann, Präsident des FC St. Pauli. DFL-Geschäftsführer Holger Hieronymus hält dagegen: "Wir haben uns bei der Terminierung des Spieles eng mit der Zentralen Informationsstelle Fußball abgestimmt und haben uns für die Ansetzung am Montagabend entschieden. Das Potential von gewaltbereiten Chaoten ist an einem Montag geringer als am Wochenende."

Litmanens Rostocker Kollege Dirk Grabow wendet sich im Vorwort der Stadionzeitschrift an die gewaltbereiten Anhänger: "Wir lassen uns von diesen Personen unser Vereins-Image nicht in den Dreck ziehen", schreibt der Vorstandsvorsitzende des FC Hansa. Grabow ist eine zentrale Figur in einem Konflikt, der einmalig ist im deutschen Fußball.

Seit Monaten gehen die entschlossensten Ultras des FCHansa, die sich den Namen Suptras gegeben haben, auf Distanz zum Verein. Während der Heimspiele herrscht Stille in ihrem Stadionabschnitt 27A, ihren Stimmungsboykott unterbrechen sie nur für Schmähgesänge gegen den Sicherheitsbeauftragten Jörg Hübner. Ihr Vorwurf: Die Klubposition Hübners lasse sich nicht damit vereinbaren, dass er zugleich Chef eines lukrativen Sicherheitsdienstes ist, der 50 Prozent der Stadionordner stellt.

Suptras versus Vereinsführung

ie Suptras, in deren Reihen gewaltbereite und rassistische Fans sind, wehren sich gegen die Repression des Vereins. Zum Beispiel gegen Maßnahmen wie vor dem Gastspiel bei Union Berlin: Der FC Hansa hatte nur Tickets an Klubmitglieder ausgegeben. "Freiheit für alle Stadionverbotler", schreien die Suptras an jedem Wochenende. Das Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom Freitag dürfte ihnen nicht gefallen haben: Für ein Verbot müsse weder eine Straftat noch eine andere Zugehörigkeit nachgewiesen wäre, es reiche der Verdacht.

Beim FC Hansa fallen die Stadionverbote in das Arbeitsgebiet des Veranstaltungsleiters Rainer Friedrich, auch ihn bedrängen die Suptras. "Angst vor der Wahrheit? Stasi FCH?!", haben sie auf ein Transparent geschrieben. Die Fans werfen Friedrich vor, in der DDR für die Staatssicherheit gearbeitet zu haben. Der Beschuldigte bleibt gelassen, erlaubt sogar das Aufhängen der Plakate: "Das ist gelebte Demokratie."

Die Suptras wollen Jörg Hübner und Rainer Friedrich loswerden, die Führung um Dirk Grabow stellt sich dagegen, ihr Handeln wird bundesweit von Interesse sein. Wie viel Macht darf ein Verein seinen Fans gewähren, ohne erpressbar zu wirken? Wie viele Zugeständnisse darf er eingehen, ohne Autorität zu verlieren? Die Suptras betreiben Politik. Mit Demonstrationen gegen den Verkauf der Namensrechte des Stadions, Offenen Briefen an die Mannschaft oder Polizeikritik. Vorstandschef Grabow will dieses Thema nicht kommentieren. Der Verein wolle sich auf das Spiel konzentrieren. Zehn Spiele, sechs Niederlagen - auch der Fußball hat derzeit keine guten Nachrichten zu bieten. Ronny Blaschke

© SZ vom 02.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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