1860 unterliegt Dortmund im DFB-Pokal:Berauscht an der eigenen Niederlage

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Moritz Volz (von links), Kai Bülow und Yannick Stark bedanken sich nach Spielende bei den Fans (Foto: dpa)

Der TSV 1860 München erfreut sich an sich selbst - an einem Abend, der lange spannend bleibt, weil Borussia Dortmund gegen den ultradefensiven Zweitligisten eine Fülle von Großchancen vergibt. Am Ende siegt der große Favorit 2:0 nach Verlängerung.

Aus der Arena von Markus Schäflein

Hasan Ismaik war leider verhindert. Der jordanische Investor des Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München hatte einen Geschäftstermin in Südkorea wahrzunehmen, und das ausgerechnet zum Saison-Höhepunkt der Löwen im Pokal gegen Borussia Dortmund. Ismaik, der eine Sonderprämie für einen Erfolg gegen den Champions-League-Finalisten und Bundesliga-Tabellenführer ausgelobt hatte, hätte sich ein Bild machen können davon, welches Potenzial die vergleichsweise kleine Fußballfirma hat, an der er 60 Prozent der Anteile gekauft hatte.

Eine Stimmung wie an diesem Abend in der ausverkauften Arena herrschte dort schon seit Langem nicht mehr - Spiele des Lokalrivalen und Vermieters FC Bayern selbstverständlich mitgerechnet. Am Ende eines langen Abends jubelten aber diejenigen, von denen man es erwartet hatte: Die Borussia siegte 2:0 nach Verlängerung durch einen Elfmetertreffer des eingewechselten Pierre-Emerick Aubameyang in der 104. Minute, nachdem Dominik Stahl ein Foul an Marco Reus begangen hatte, und durch ein Tor von Henrikh Mkhitaryan (107.) nach einem Konter. Als Kai Bülow hernach sagte, er sei "enttäuscht, aber stolz", traf der Verteidiger die Löwen-Stimmung genau.

So ein hartes Stück Arbeit hatten die Dortmunder sicherlich nicht erwartet gehabt. Trainer Friedhelm Funkel hatte die Münchner ultradefensiv eingestellt. "Wir haben umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben: tief stehen und Dortmund keinen Raum geben, sonst wird man abgeschossen", erklärte er. "Neben großer Laufbereitschaft und Leidenschaft mussten wir ein bisschen Glück haben, und das hatten wir auch."

BVB in der Einzelkritik
:Erst verwirrt, dann chefig

Sven Bender bekommt in der alten Heimat die Liebe der "Löwen"-Fans zu spüren, Marco Reus kann es viel besser, Abwehrmann Sokratis zeigt sich erstaunt über die Münchner Oktoberfest-Gepflogenheiten. Der BVB beim 2:0 gegen den TSV 1860 in der Einzelkritik.

Aus dem Stadion von Lisa Sonnabend

Benjamin Lauth agierte als einzige Spitze ganz allein in der offensiven Zone, sein Sturmpartner Rob Friend blieb draußen. Für ihn kam Stahl in die Mannschaft, der mit Stefan Wannenwetsch die Doppelsechs bildete; bei Dortmunder Ballbesitz (also immer) gesellte sich dann auch noch der Achter Yannick Stark zur massiven zentralen Zerstörungseinheit. Und die Anhängerschaft bejubelte, was es bei einer solchen Taktik eben zu bejubeln gibt: jeden gewonnenen Zweikampf, jeden Befreiungsschlag, jede missglückte BVB-Flanke.

Die Borussia, die im Gegensatz zum vergangenen Bundesligaspiel in Nürnberg (1:1) wieder mit den Stammspielern Lewandowski, Mkhitaryan und Sahin antrat und auch auf den zuletzt angeschlagenen Reus zurückgreifen konnte, tat sich äußerst schwer. Richtig große Chancen gab es zunächst wenige, ein Versuch von Reus strich am entfernten Pfosten vorbei (17.). Als die Münchner dann in der 37. Minute tatsächlich ihren ersten Eckstoß erhalten hatten, wurde er bejubelt wie ein Sieg. Stahls Kopfball ging neben das Tor und bedeutete die erste Torchance der Münchner.

Nach der Pause wurden die Dortmunder noch überlegener und erspielten sich nun auch mehr gute Gelegenheiten. Blaszczykowski traf nach missglückter Abwehr von Christopher Schindler die Querlatte (49.), Großkreutz und Lewandowski waren bei der nächsten Großchance nicht konsequent (57.), Reus scheiterte, nachdem er vier Löwen stehen gelassen hatte, an Kiraly (66.). Die Führung der drückend überlegenen Dortmunder schien eine Frage der Zeit zu sein - sie schien es so lange zu sein, bis keine Zeit mehr übrig war.

In der 68. Minute wurde Bender ausgewechselt; er wurde von den Anhängern seines früheren Klubs, das war bemerkenswert, mit großem Applaus und Sprechchören bedacht. Es war, das stand jetzt schon fest, der beste Abend, den dieser gebeutelte Klub seit langer, langer Zeit erlebt hatte. Nach einem Konter über Stark und einer Flanke von Stoppelkamp musste sich BVB-Torwart Mitchell Langerak dann plötzlich sogar richtig strecken, um den Ball vor Lauth wegzufausten (74.).

2. Runde im DFB-Pokal
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Die Spiele in der Übersicht

Und in der Defensive brachten die Löwen immer wieder irgendein legales Körperteil in den Weg. "120 Minuten - das hätten wir uns gerne erspart, indem wir in 90 Minuten mal getroffen hätten. Das hat leider aus unterschiedlichen Gründen nicht geklappt", sagte BVB-Trainer Jürgen Klopp, der kurz vor der Partie von der Uefa nach seinem Ausraster in Neapel fürs nächste Champions-League-Spiel in Marseille gesperrt worden war.

Mit einem Eckballverhältnis von 1:14, dem Spielstand von 0:0 und ohrenbetäubendem Jubel ging es vor den Augen des vom BVB zum FC Bayern gewechselten Mario Götze in die Verlängerung. "Es gibt ab diesem Moment keine Sitzplätze mehr", rief Stadionsprecher Stefan Schneider, und das Publikum kam seinem Hinweis nach. Auf dem Rasen ging es weiter wie gehabt, mit Dortmunder Überlegenheit und den nächsten Großchancen; einen Schuss von Reus lenkte Kiraly an den Pfosten (93.), ein Freistoß von Reus traf die Querlatte (96.). Klopp brachte Pierre-Emerick Aubameyang für Blaszczykowski (99.), während Funkel in seinem Bollwerk noch immer keinen austauschen wollte.

Und dann kam die 104. Minute. Lewandowski spielte auf Reus; Stahl foulte Reus von hinten, rote Karte, Elfmeter. Aubameyang verwandelte, Mkhitaryan legte zu Beginn der zweiten Nachspielzeithälfte nach, die Sache war durch - so deutlich, wie man es geahnt hatte, aber eben viel später als erwartet. Funkel war zufrieden: "Wenn man so auftritt, kann man erhobenen Hauptes das Spielfeld verlassen. Da zeigt sich, was Kampf ausmacht gegen einen ohne Frage total überlegenen Gegner", meinte er. "Uns war wichtig, für gute Stimmung im Stadion zu sorgen, dass auch zu den Zweitligaspielen mal mehr Zuschauer kommen." Das hatten die Löwen geschafft.

© SZ vom 25.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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