1860-Präsident Mayrhofer:"Die Spieler werden ja wahnsinnig"

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Die Nachfolge von 1860-Präsident Gerhard Mayrhofer bleibt vorerst ungeklärt. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Seit Gerhard Mayrhofer Präsident des TSV 1860 München ist, hat er eindrucksvoll umgebaut: Trainer und Geschäftsführer wurden ausgetauscht, Sportdirektor Hinterberger musste gehen. Die neueste Idee: Mayrhofer will das Trainingsgelände absperren.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Der schwere, hölzerne Schreibtisch, der noch aus der Zeit von Karl-Heinz Wildmoser stammte, ist aus dem Präsidentenzimmer verschwunden. "Den habe ich aussortiert, zusammen mit dem ganzen alten Kram, der drin war", sagt Gerhard Mayrhofer, der mittlerweile hier amtiert. Er hat sich eine schlichte Arbeitsplatte hingestellt, auf die andere Seite des Raumes, so dass sich sein Blick nun auf die Trainingsplätze richtet, wenn er dort sitzt. "Manchmal hilft es", sagt Mayrhofer, "die Perspektive zu ändern."

Dass er allzu lange an Althergebrachtem hängt, kann man Mayrhofer in der Tat nicht vorwerfen. Seit er als Präsident des Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München im Amt ist, hat er eindrucksvoll umgebaut: Der Trainer wurde ausgetauscht, der Geschäftsführer auch, beim Vermarkter HI Squared arbeitet unter der Leitung von Investoren-Statthalter Noor Basha ein neues Team, und zuletzt musste auch Sportdirektor Florian Hinterberger gehen, der letzte Verantwortliche im Profibereich, der bei Sechzig verwurzelt war. "Wir wollen jemanden, der eine neue Perspektive hat", erklärt Mayrhofer, "wir sind zu dem Schluss gekommen, dass wir die Stelle neu besetzen müssen, um ein neues Denken zu etablieren." Die Position wird aufgewertet, "es wird kein Sportdirektor mehr sein", betont der Präsident, "sondern ein Sport-Geschäftsführer, der neben dem Kaufmännischen Geschäftsführer Markus Rejek arbeiten wird."

Bei der Neustrukturierung lässt sich Mayrhofer auch nicht davon stören, dass ein Entscheidungsträger für die Kaderplanung vorerst fehlt - zumal Trainer Friedhelm Funkel noch keinen Vertrag für die kommende Saison besitzt und im Falle eines schwachen Auftritts gegen Aalen gar auch um seinen Job bangen muss.

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Der TSV 1860 München zeigt beim 0:0 gegen Sandhausen erneut eine desolate Leistung, Torwart Gabor Kiraly verhindert Schlimmeres. Daniel Halfar rettet mit zwei späten Treffern dem Tabellenführer aus Köln immerhin noch einen Punkt gegen Aue.

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Nur im Verwaltungsrat hat sich noch nichts verändert, dort sitzen bekanntlich noch immer viele, die für die Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre verantwortlich sind - das ist aber nicht Teil von Mayrhofers Baustelle, er kann dort nichts verändern. "Das obliegt den Vereinsmitgliedern", sagt Mayrhofer. "Sie müssen entscheiden, wer da sitzt und wer nicht. Aber klar: Jeder hat eine Vergangenheit bei Sechzig. Und wir versuchen gerade, alles neu zu gestalten und auf die Zukunft auszurichten. Das wird in allen Gremien der Fall sein."

Immerhin tritt der neue Vorsitzende Siegfried Schneider, zu dem Mayrhofer nach eigenen Angaben "ein ausgezeichnetes Verhältnis" hat, nicht mehr so oft öffentlich auf wie Vorgänger Otto Steiner, der zwar den Vorsitz abgab, aber aus unerfindlichen Gründen noch im Gremium sitzt. "Früher haben nicht alle mit einer Stimme gesprochen", sagt Mayrhofer. "Das ist etwas, das wir gemeinsam verändert haben."

Er macht bei seinen Umbauarbeiten keinen Halt vor Dingen, die schon immer so waren, und ob er sich damit beliebt macht, scheint ihm recht egal zu sein. Der spezielle Charme von Sechzig etwa hat ja viel zu tun mit dem offenen Trainingsgelände, dem Löwenstüberl, der Nähe zu den Spielern. Aber aus Mayrhofers Sicht kommt man mit Charme nicht unbedingt weiter. "Wir sind hier kein Biergarten, sondern ein Trainingsgelände. Es wird immer gesagt, wie toll volksnah 1860 ist", sagt er. "Aber vielleicht ist diese Nähe nicht immer hilfreich für das, was man vorhat. Die Spieler werden ja wahnsinnig. Die trainieren, und die Leute stehen mit dem Weißbier in der Hand daneben und beschimpfen sie."

Also plant Mayrhofer, durch bauliche Maßnahmen Geheimtrainings zu ermöglichen, "es soll nicht jedes Training nicht-öffentlich sein, aber manche". Fans und Journalisten sollen dann draußen bleiben. Der Eingang des Löwenstüberls könnte dafür, so eine Idee, an die Straße verlegt werden. "Es geht einfach nicht, dass hier permanent Leute überall reinschnüffeln. Unten reingehen, Bilder machen, zuhören, und das überall", klagt er. "Jedes Mal, wenn es um etwas geht, ist der Druck zu groß. Es ist doch offensichtlich, was hier passiert: Das ganze Konstrukt um den TSV 1860 - seine Medienlandschaft und die sogenannten Fans außenrum - hat das Potenzial, Menschen zu zerstören. Davon bin ich inzwischen überzeugt." Das ist natürlich auch ein Erklärungsansatz für das viel diskutierte Phänomen, dass so viele hoch veranlagte Zugänge, kaum in München angekommen, in ein Leistungsloch fallen.

Mayrhofer rüttelt, so muss man das sehen, an den Grundfesten des TSV 1860 - eines Vereins, in dem seiner Meinung nach die ganze Struktur "auf einen zehnten Tabellenplatz" in der zweiten Liga ausgerichtet ist. Das prägende Merkmal des Klubs ist das Spannungsfeld zwischen höchsten Ansprüchen und frappierender Erfolglosigkeit. Nicht nur in den vergangenen Jahren seit dem Bundesligaabstieg, sondern schon zu seligen Bayernligazeiten war das so, und die treuen Begleiter der Löwen haben sich darin häuslich eingerichtet. Stets finden sich Edelfans oder Meisterlöwen, die als Kronzeugen des Verfalls dienen.

Es gehe rund um 1860 "immer nur um das Schlechte, das Negative", hat Mayrhofer festgestellt. "Wenn wir mal zehn Spiele hintereinander gewinnen würden, würden wir manche Menschen in die Sinnkrise stürzen." Auch Funkel, 60, sei beeindruckt: "Und er hat wirklich viel erlebt, er war in Köln. Er ist ein Mensch, keine Funktionseinheit."

Nachdem Funkel angekündigt hatte, aufgrund der Lage bei Sechzig keine Lust auf Karneval zu haben, wurde er von einem Fan am Flughafen in der Halle Richtung Düsseldorf fotografiert - das Foto landete in einem Internet-Blog ("Wo geht's denn hin?"). Dabei reiste Funkel bloß nach Krefeld, nicht gerade eine Karnevals-Hochburg. "Das ist ein weiteres Beispiel dafür, wie es rund um 1860 zugeht, wie ständig alles aufgebauscht wird", meint Mayrhofer.

Auf der Suche nach einem Sportdirektor wurde dann Lothar Matthäus ins Spiel gebracht. Lothar Matthäus wird immer ins Spiel gebracht, wenn irgendein Klub irgendwen sucht, das gehört zu den Gesetzmäßigkeiten des Fußballgeschäfts ebenso wie das umgehende Dementi eines Vereinsvertreters und anschließendes Wehklagen von Matthäus. Mayrhofer hat nicht dementiert. Er ist noch nicht lange im Fußballgeschäft tätig, und auf manche Gesetzmäßigkeiten hat er offenbar einfach keine Lust.

"Man müsste den ganzen Verein auf links drehen", findet er, und wer Sechzig seit Jahren kennt, stößt da schnell an die Grenzen der Vorstellungskraft. Mit Umbauarbeiten ist es eben so eine Sache: Wie es wirklich aussieht, erkennt man erst, wenn die Handwerker abgerückt sind. Mayrhofer weiß das - aber er findet die gegenwärtige Situation wohl so unerträglich, dass er sich davon nicht abschrecken lässt.

© SZ vom 06.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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