Streit der Gesellschafter:Nur Pseudodebatten bei 1860 München

Hasan Ismaik

1860-Investor Hasan Ismaik.

(Foto: Andreas Gebert/dpa)

Sponsoren-Deal? Darlehen? Kurz vor der Mitgliederversammlung geht es beim Drittligisten mal wieder ums Geld. Präsidium und Investor tun nur so, als wollten sie eine Einigung herbeiführen.

Kommentar von Philipp Schneider

Zur Veranschaulichung des unübersichtlichen Konflikts eine Analogie. Zwei Männer sitzen an einem runden Tisch. Dieser ist, damit das Bild stimmiger wird, ausnahmsweise mit blauem Filz überzogen und nicht mit grünem, wie es sonst üblich ist an derlei Tischen. Die Männer sitzen sich schon eine ganze Weile gegenüber, sie spielen Poker, weswegen sich auf dem Tisch zwei Stapel Jetons befinden. Die Männer kennen sich nicht wirklich gut, was vor allem daran liegt, dass sie sehr selten miteinander gesprochen haben. Aber das Gute ist, das denken beide, dass Reden nichts bringen würde und unnötig wäre, da man sich ja zuvor auf klare Spielregeln geeinigt hat.

Einer der Männer, 1860-Präsident Robert Reisinger, glaubt von seinem Gegenüber in Erfahrung gebracht zu haben, dass dieser manchmal Jetons auf den Tisch legt, die er, sollte er verlieren, nicht unmittelbar bezahlt, sondern erst nach einer Weile. Deshalb hat er die Regel aufgestellt: Ich spiele nur mit dir Poker, wenn ich das Geld sehen kann, nicht nur die Jetons. Dem anderen Mann, 1860-Investor Hasan Ismaik, sind die Einsätze seines Gegenübers, der für einen drittklassigen Pokerspieler tatsächlich sehr arm ist, viel zu niedrig. Er würde gerne mit höheren Einsätzen spielen - und deshalb bietet er dem armen Drittklassigen die Möglichkeit an, sich bei ihm Jetons zu leihen, die er dann verzocken kann.

"Wieso nur leiht der sich nichts bei mir? Langweilt ihr Zuschauer euch genauso wie ich?!"

An einem normalen Spieltisch würden die Männer nun entweder miteinander reden und die Regeln ändern. Oder sie würden aufstehen und sich neue Spielkameraden suchen. Nur beim TSV 1860 München bleiben sie einfach sitzen und gucken sich wortlos an. Dann schaut der eine zur Seite, ins Publikum und ruft: "Wieso nur leiht der sich nichts bei mir? Langweilt ihr Zuschauer euch genauso wie ich?!" Der andere ruft: "Wieso nur begreift er es nicht, dass ich mir nichts bei ihm leihen möchte?!" Und so sitzen sie weiter rum. Aufstehen geht nicht. Ihnen bleibt nur dieser eine Tisch. Sie haben ihn sich blöderweise vor acht Jahren gemeinsam gekauft.

Eigentlich dürfte die Entwicklung im Gesellschafterstreit bei 1860 niemanden überraschen. Es ist ein Konflikt, in dem lediglich Pseudodebatten geführt werden. Beide Seiten tun so, als wollten sie eine Einigung herbeiführen. In Wahrheit aber geht es beiden nur darum, die Kontrolle über den Klub zu erlangen. Und diese Macht verleiht allein das Publikum.

Das 1860-Präsidium hat einen Sponsoren-Deal an Land gezogen, von dem es von der ersten Sekunde an wusste, dass ihn Ismaik ablehnen würde. Das ist nachvollziehbar: Der Geschäftsmann will keinen weiteren Machtfaktor in seinem Klub haben, der auch noch mit der anderen Seite kungelt. Also hat Ismaik das Angebot wie erwartet abgelehnt und seinerseits einen Vorschlag unterbreitet, von dem er weiß, dass ihn das Präsidium ablehnen wird: ein Darlehen. Zum Spielen kommt so keiner mehr. Beide Parteien blicken zur Seite und rufen ins Publikum. Das geht jetzt noch bis zur Mitgliederversammlung am 30. Juni so weiter. Mindestens.

Ismaik rückt nun Scharold ins Zentrum seiner Kritik - auch dies geschieht mit Kalkül

Nun gab es bei Sechzig bis zuletzt noch Personen, die glaubten, es gäbe einen Ausweg aus der vertrackten Situation. In der Theorie hätte Ismaik selbst Sponsor werden, das Angebot auch überbieten können. Da bei 1860, um die Eigenkapitalquote nicht zu verschlechtern, ohnehin alle Darlehen in Genussscheine gewandelt werden müssen (was bedeutet, dass Ismaik das Geld ebenso gut durch den Kamin jagen könnte), hätte es für ihn unternehmerisch kaum einen Unterschied gemacht. Was sprach dagegen? Sein Statthalter Saki Stimonaris hatte ein Sponsoring schon vor Wochen ausgeschlossen. Außerdem hätte der Vermarkter Infront davon überzeugt werden müssen, dass er auf seine übliche Provision verzichtet - so wie er es bei "Die Bayerische" aber ohnehin tut. Dieser Weg wäre gangbar gewesen. Aber dazu hätte es des Willens bedurft, einen Weg gemeinsam zu beschreiten.

Ismaik hat nun den Finanz-Geschäftsführer Michael Scharold in das Zentrum seiner Kritik gerückt. Auch dies geschieht mit Kalkül. Scharold ist derjenige, der den Sponsoring-Deal mit dem Versicherer unterzeichnen muss. Allein das Präsidium, nicht aber Ismaik, kann ihm notfalls eine Weisung hierzu erteilen. Das mag man unfair finden. Aber so lauten die Spielregeln am Pokertisch. Sie heißen "50+1".

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