Die Szene an sich war natürlich auch schon ein bisschen beispielhaft dafür, warum die Sechziger allerhöchstwahrscheinlich nicht aufsteigen werden in die zweite Fußball-Bundesliga: Dennis Erdmann verliert das Laufduell gegen Wooyeong Jeong, dieser windet sich um Erdmann herum, legt quer, Phillipp Steinhart kommt einen Schritt zu spät gegen Kwasi Wriedt, und der tunnelt dann auch noch Aaron Berzel, der auf der Torlinie steht. Noch beispielhafter aber für das, was den Sechzigern fehlt, um aufzusteigen, war der Zeitpunkt: Es lief die Nachspielzeit der ersten Hälfte. Ein paar Sekunden länger, und die Sechziger wären mit einer Führung in eine ganz andere zweite Hälfte gestartet. Womöglich in eine, die es ihnen erlaubt hätte, abwartender zu spielen, ihre Kräfte besser einzuteilen.
Am Ende verloren die Sechziger das Derby 1:2, und nach dem 1:1 im Hinspiel - es war übrigens Köllners Einstand bei den Löwen gewesen - hatte er nun nicht nur die inoffizielle Stadtmeisterschaft verloren, sondern ein bisschen auch den Nimbus des Durchstarters. Irgendwie war ja, so unglaublich das sich auch anhören mag, über Wochen hinweg gefühlt jeder zufrieden gewesen mit den aktuellen Löwen. Jetzt ist die Zeit gekommen, um zu realisieren: Es ist knapp, aber es reicht im Moment nicht für mehr.
Taktisch war das in Ordnung, wie man über weite Strecken den Tabellenführer im Zaum gehalten hatte. Womöglich wäre sogar mehr drin gewesen, wenn Sechzig in der ersten Spielhälfte nicht "viele Möglichkeiten weggeworfen" hätte, wie der 50-jährige Köllner analysierte. Rechnerisch ist der vierte Platz wohl auch noch möglich, der dank des unaufsteigbaren Spitzenreiters Bayern II für die Relegation reichen würde. Dass daran aber niemand mehr glaubt drei Spieltage vor Schluss bei fünf Punkten Rückstand, und vor allem: bei vier Mannschaften dazwischen, das konnte man gleich nach dem Schlusspfiff mühelos an der Körpersprache der Verantwortlichen ablesen: Köllner und Geschäftsführer Günther Gorenzel standen mit hängenden Köpfen da, während die Bayernspieler hüpften und sich selbst besangen.
Deren Trainer Sebastian Hoeneß merkte hernach noch an, dass ihm der Derbysieg auch aufgrund seiner Familiengeschichte, seiner Verbundenheit zum Verein, sehr viel bedeute; jetzt wolle man auch oben bleiben, sagte er. Seine einzige Sorge ist nun, dass der designierte Torschützenkönig Kwasi Wriedt vielleicht schon am Wochenende bei Absteiger Jena sein letztes Spiel machen könnte, weil er zusammen mit Abwehrspieler Derrick Köhn zum 1. Juli zu Willem II in die Niederlande wechselt. Im Verein gibt man sich allerdings zuversichtlich, das Duo noch eine weitere Woche halten zu können.
Perspektivisch wird es schwer, die aktuelle Kaderqualität überhaupt zu halten
Unterdessen musste Köllner nach dem Spiel die Frage beantworten, ob ihm jetzt seine Mannschaft auseinanderfalle. "Warum soll sie zerfallen?", fragte er zurück. "Wir haben unser Saisonziel relativ früh erreicht." Den Nichtabstieg also. Und es gehe ja immerhin noch um den DFB-Pokalteilnahme, dazu würde der fünfte Platz reichen. Insofern sei auch das nächste Derby, am Samstag gegen die SpVgg Unterhaching, natürlich von großer Bedeutung.
Selbst Hoeneß meinte hernach: Man habe diesem Derby angesehen, wie schwer die Beine doch seien mittlerweile, nach acht Spielen in 26 Tagen. Köllner sah das ähnlich: "Wir haben schon geahnt: Das Pensum, das wir in der ersten Halbzeit an den Tag gelegt haben, das schaffst du in den englischen Wochen dann nicht mehr so konsequent durchzuhalten." Man kann diese Serie an englischen Wochen, gepaart mit der Tatsache, dass sich am 30. Mai noch elf Teams Hoffnung auf den Aufstieg gemacht hatten, als veritablen Härtetest dafür sehen, ob der Kader breit genug ist für die zweite Liga. Bei den jungen Bayern wäre er das wohl - bei den Sechzigern wohl nicht. Selbst ein Dreifachwechsel in der 84. Spielminute konnte keine Offensivkraft mehr erzeugen.
Und perspektivisch wird es schwer, die aktuelle Kaderqualität überhaupt zu halten. Ähnlich wie wahrscheinlich Wriedt und Köhn haben zwar einige Sechziger, darunter Mölders, ihren Vertrag um eine Woche verlängert. Wie es danach weitergeht, ist aber völlig offen. Selbst wenn sich die finanziellen Rahmenbedingungen verbessern sollten - Gorenzel ist vorsichtig optimistisch - steht ein Umbruch an, der erstmal reibungslos vonstatten gehen muss.
Und ja, selbst wenn Mölders noch ein Jahr dranhängen sollte, so können die Löwen trotzdem nichts daran ändern, dass er nächstes Jahr 36 Jahre alt wird. Und damit doppelt so alt wäre wie so manch flinker Derby-Gegner.