1. FC Nürnberg:Zugucken macht Spaß

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Endlich nachgelegt: Erik Shuranov bei seinem Schuss zum Nürnberger 2:0 nach einer guten Stunde. (Foto: Daniel Marr/Sportfoto Zink/imago)

Beim 2:1 gegen Holstein Kiel deutet der Club an, dass er nicht mehr jene Momente-Mannschaft ist, die er in den ersten Saisonwochen noch war.

Von Sebastian Leisgang

Vermutlich hat sich Dieter Hecking schon mal Gedanken darüber gemacht. Auszuschließen ist das ja wirklich nicht, im Gegenteil, es ist sogar ziemlich wahrscheinlich, dass der Sportvorstand des 1. FC Nürnberg zumindest hinter verriegelter Bürotür mal daran gedacht hat, wie das wohl wäre: im Presseraum des Max-Morlock-Stadions einen Trainer wie Julian Nagelsmann reden zu hören oder draußen auf dem Platz einen Spieler wie Erling Haaland zu sehen.

Hecking, 57, weiß aus seiner Zeit als Spieler und als Trainer ziemlich genau, wie reizvoll es ist, wenn man es mit den Besten zu tun hat. Durchaus denkbar also, dass Nürnbergs Sportvorstand die Bundesliga auch dann im Hinterkopf hätte, wenn er nicht für einen Verein arbeiten würde, der durchaus realistische Chancen hat, schon bald tatsächlich auf Nagelsmann und Haaland zu treffen. Hecking ist derart strebsam, dass er es wahrscheinlich sogar dann wagen würde, an die Bundesliga zu denken, wenn er Sportvorstand eines Freizeitteams, eines Landesligisten oder des Hamburger SV wäre.

"Wir sind oben dabei, und wenn es nach mir geht, kann das die nächsten Monate auch so bleiben." Diesen Satz sagte Dieter Hecking am Samstagabend. Ein paar Stunden zuvor hatte Nürnberg mit 2:1 gegen Holstein Kiel gewonnen und damit den nächsten, wie Hecking es formulierte, "Schritt in die richtige Richtung" gemacht.

Nieselregen, zwei Grad, null Zuschauer: Es waren zwar ziemlich triste Umstände, unter denen der Club seinen siebten Saisonsieg einfuhr - doch Hecking fühlte sich ausgesprochen gut unterhalten, als er das letzte Nürnberger Heimspiel des Jahres in einer Loge verfolgte. "Im Moment macht die Mannschaft vieles richtig, da macht es Spaß zuzugucken", sagt der Sportvorstand und schränkt seine Aussage dann nur mit einem einzigen Kritikpunkt ein: "Wir hätten ein drittes Tor schießen müssen."

"Andere Mannschaften gewinnen ihre Spiele auch mal 3:0 oder 4:0", sagt Sportvorstand Hecking

Weil nur Manuel Schäffler (6.) und Erik Shuranov (63.) erfolgreich waren, wurde es nach dem Kieler Anschlusstreffer durch Julian Korb (88.) noch einmal spannend. Aber, und auch so ließen sich diese 90 Minuten am Samstagnachmittag lesen: Die Nürnberger sind deutlich weiter als noch zu Saisonbeginn - gerade weil sie es sich erlauben konnten, derart viele Chancen zu vergeben, als wären sie bloß ein Freizeitteam.

Im August und September war der Club ja noch eine Momente-Mannschaft. Gut organisiert war er, zäh war er, widerstandsfähig, doch auf der Tribüne ächzte so mancher Anhänger (und vielleicht auch Hecking), weil es die Mannschaft einige Anstrengungen kostete, zu Torchancen zu kommen. Oft war sie dann auf die Einfälle eines Mats Möller Daehli angewiesen, am Samstag blieb der Mittelfeldspieler trotz guter Möglichkeiten glücklos und stand damit exemplarisch für zweierlei: zum einen, worin sich der FCN schon verbessert hat - und zum anderen, worin sich der FCN noch verbessern muss.

"Wir hatten eine Phase am Anfang der Runde, in der wir sehr effektiv waren und aus wenig viel gemacht haben. Heute haben wir aus viel etwas weniger gemacht", sagte Robert Klauß. Auf der einen Seite freut es Nürnbergs Trainer, dass es seiner Mannschaft inzwischen etwas leichter vom Fuß geht, Torchancen herauszuspielen. Auf der anderen Seite fände er es aber schon ganz gut, wenn Hecking auch in den letzten Minuten eines Spiels entspannt auf seinem Logenplatz sitzen könnte und sich hinterher kein drittes Tor wünschen müsste.

"Andere Mannschaften gewinnen ihre Spiele auch mal 3:0 oder 4:0." Auch das sagte Nürnbergs Sportvorstand nach dem Sieg gegen Kiel, schließlich schoss der Club in dieser Saison nur ein einziges Mal mehr als zwei Tore. Nun ist der nächste Schritt, aus viel viel zu machen.

27 Punkte, diese Zahl erreichte Nürnberg in der vergangenen Saison erst Ende Februar - übrigens durch ein 0:0 gegen den späteren Absteiger Eintracht Braunschweig, bei dem der Club zwar nicht im Nieselregen spielte, bei dem es aber eher keinen Spaß machte, zuzugucken. Jetzt spielt die Mannschaft gut, Hecking lobt, Klauß entwickelt die Spieler: Der Club hat gewiss schon schlechtere Tage erlebt als in diesem Frühwinter 2021. Wenn man Hecking aufs große Ganze anspricht, nimmt er zwar das Wort Prozess in den Mund - er weiß aber auch, wozu dieser Prozess führen kann, wenn die Mannschaft ihren Weg fortführt: im besten Fall dazu, dass Julian Nagelsmann in ein paar Monaten im Nürnberger Medienraum sitzt.

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