1. FC Nürnberg:Prophetische Plattenauswahl

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Gebrauchter Tag: Nürnbergs Verteidiger Lukas Mühl (rechts) machte bei beiden Gegentoren keine gute Figur. Hier verursacht er gegen Daniel Kofi Kyereh den Strafstoß zum 0:2. (Foto: Wolfgang Zink/Sportfoto Zink/imago)

"Die Zweikampfquote war unterirdisch, wir hatten extrem viele Fehlpässe": Beim 1:2 gegen den FC St. Pauli fehlt dem Club mal wieder jegliche Kreativität - und nicht nur diese. Trainer Robert Klauß ist dementsprechend "sehr wütend".

Von Christoph Ruf

Ein paar Minuten nach dem Abpfiff gaben sich Robert Klauß und Schiedsrichter Alexander Sather dann doch noch die Hände. Der Nürnberger Coach hätte in der Nachspielzeit zu gerne einen Elfmeter für sein Team bekommen, nachdem St. Pauli-Keeper Dejan Stojanovic einen seiner Spieler über den Haufen gerannt hatte. Und natürlich wäre so ein Elfer eine schöne Sache für den Club gewesen. Berechtigt wäre er allerdings nicht gewesen. Genauso wenig, wie es ein später Punktgewinn für ein Team gewesen wäre, das 70 Minuten lang einen enorm schwachen Heimauftritt hingelegt hatte und nach Lage der Dinge bis zuletzt gegen den Abstieg spielen wird.

Was es mit der Nürnberger Effizienz auf sich haben könnte, lässt sich nicht ermitteln - mangels Chancen

Dabei hatte Klauß vor dem Spiel angekündigt, es werde in diesem Spiel, das "von gewisser Bedeutung" sei, einzig um die Effizienz gehen, die spielerische Weiterentwicklung sei in den kommenden Wochen erst einmal sekundär. Was es mit der Nürnberger Effizienz auf sich haben könnte, ließ sich am Sonntag dann aber allein schon deshalb nicht ermitteln, weil der Club keine einzige echte Torchance hatte. Eine ausgesprochen schlechte Effizienz zeigte hingegen St. Pauli, das bis zur Schlussphase das klar bessere Team war und allein im ersten Durchgang ein halbes Dutzend Torchancen durch Leart Paqarada (22.), Philipp Ziereis (31.) und den ehemaligen Nürnberger Guido Burgstaller (29./35./38.) hatte. Burgstaller war es auch, der kurz vor dem Halbzeitpfiff die Hamburger Führung erzielte (45.), unter tätiger Mithilfe von Verteidiger Lukas Mühl, der nach dem Spiel zugab, "einen gebrauchten Tag" gehabt zu haben.

Dass die Nürnberger Stadionregie in der Halbzeitpause den Evergreen "Song 2" von Blur einspielte, mit dem am Hamburger Millerntor seit über 20 Jahren die Tore gefeiert werden, war dann ausgesprochen höflich. Es sollte sich auch als prophetisch erwiesen, denn nach wie vor hatte St. Pauli gute Chancen und nutzte eine davon durch ein Elfmetertor von Omar Mamoush zum 0:2 (65.). St. Pauli, das gegen Ende der Hinrunde eigentlich noch schlechter gespielt hatte als der vorletzte Tabellenplatz Mitte Januar aussagte, hat nun 15 Punkte aus den letzten sechs Partien geholt und ist am Sonntag folgerichtig in der Tabelle an den Franken vorbeigezogen. Beim Club würde man liebend gerne auch einmal eine solche Serie starten, doch das bleibt wohl ein frommer Wunsch, wenn wie am Sonntag nicht einmal die Basics bei der Zweikampfführung stimmen. Von einem Tempo, mit dem man auch mal in Überzahlsituationen kommen könnte, ganz zu schweigen.

"Dass es nicht gereicht hat, müssen wir uns selbst zuschreiben", sagt Premierentorschütze Borkowski

Natürlich gibt es auch Gründe für die derzeitige Malaise. Vor allem im Offensivbereich fehlen dem FCN wichtige Akteure, darunter mit Felix Lohkemper, Robin Hack und Pascal Köpke drei potenzielle Stammspieler. Doch dass die Probleme zu grundsätzlicher Natur sind, als dass sie mit der Rückkehr von zwei, drei Spielern zu beheben wären, wurde gegen St. Pauli überdeutlich. Denn obwohl mit Johannes Geis und Mats Möller-Daehli zwei technisch gute Akteure im Nürnberger Mittelfeld stehen, und obwohl der fußballerisch versierte Nikola Dovedan als hängende Spitze hinter Fabian Schleusener aufgeboten war, fehlte dem Nürnberger Spiel mal wieder jegliche Kreativität. Die drei Gelegenheiten, die sich der Club in der Schlussphase erarbeitete, waren zwei Einzelaktionen von Möller-Daehli (82./87.) - und ein Kopfball des eingewechselten Dennis Borkowski zum 1:2 (77.). "Dass es nicht gereicht hat, müssen wir uns selbst zuschreiben", sagte der nach seinem ersten Zweitligatreffer artig. Dabei hatten beim 19-Jährigen wenigstens die Fleißwerte gestimmt.

Überhaupt fragen sich rund um den FCN seit Wochen ja viele Menschen sorgenvoll, ob Mannschaft und Trainer tatsächlich verinnerlicht haben, dass sie gegen den Abstieg spielen. Immerhin in dieser Hinsicht ließen die Aussagen von Klauß, der in der Vergangenheit oft zu einer dezenten Überdosis an Positivrhetorik gegriffen hat, am Sonntag keinen Interpretationsspielraum. "Ich bin sehr wütend darüber, wie wir uns präsentiert haben. Die Zweikampfquote war unterirdisch, wir hatten extrem viele Fehlpässe", sagte der junge Coach. "Wir sind in einer Situation, in der wir punkten müssen - und heute haben wir nicht gepunktet."

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