1. FC Nürnberg in der 2. Liga:Adrenalin und gute Laune

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Da geht's lang: Cristian Fiel im Trainingslager mit Verteidiger Jan Gyamerah. (Foto: Daniel Marr/Sportfoto Zink/Imago)

"Eines der größten Trainertalente überhaupt": Cristian Fiél vereint Fachwissen und eine Ansprache, auf die Fußballer reagieren. Im zweiten Anlauf will er sich nun beim Club als Coach im Profibereich durchsetzen.

Von Christoph Ruf

Gerade kommt Cristian Fiél vom Vormittagstraining zurück auf die Geschäftsstelle. Es galt Kondition zu bolzen für eine Spielzeit der zweiten Fußball-Bundesliga, die sowohl für den 1. FC Nürnberg als auch für seinen neuen Trainer eine spannende werden dürfte. Nach Platz 14 in der Vorsaison wäre der Anhang nicht traurig, wenn sein Verein mal wieder positive Schlagzeilen schreiben könnte. Und Fiél, 43, wäre recht gerne derjenige, der wieder für eine bessere Grundstimmung am Valznerweiher sorgen würde.

Bisher könnte es schlechter laufen. Der Neue lache viel, heißt es, und sorge so für gute Laune. Und das offenbar auch bei manchem der gestrengen Trainings-Kiebitze, mit denen Fiél auch mal ein Schwätzchen hält. Er selbst war schon als Spieler einer, der den Kontakt zu den Fans nicht scheute, aber zu hoch will er seinen Einfluss auf die Stimmung im skeptischen Franken nicht einschätzen: "Es ist ein schönes Gefühl zu hören, dass sich die Leute auf den Ligabeginn freuen."

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Als Profi spielte Fiél von 1999 bis 2015 ausschließlich bei Traditionsvereinen, dem VfL Bochum, Alemannia Aachen, Union Berlin und Dynamo Dresden. Dass das auch etwas mit seinen persönlichen Prioritätensetzungen zu tun gehabt hat, ließ er zu seinen Dresdener Zeiten in einem Interview durchblicken. In dem erinnerte er sich daran, wie er mit Dynamo mal wieder "eine echte Skandalsaison" gespielt habe: "Wir waren fast schon abgestiegen." Am vorletzten Spieltag der Saison 2013/2014 bildeten die Dynamo-Fans vor dem Heimspiel gegen Bielefeld dann ein Spalier für den Mannschaftsbus, der Anfahrtsweg glich einem Meer aus Bengalischen Feuern. Manchem Mitspieler ("es hat ein bisschen komisch gerochen im Bus") war das alles andere als geheuer damals. Fiél selbst schoss das Adrenalin in den Körper: "Sorry", sagte er 2017 mit blitzenden Augen, "aber wer da nicht rausgeht und sagt: 'Jetzt wollen wir's wissen', der hat seinen Beruf verfehlt."

Nun sind die Club-Fans nicht so hochenergetisch unterwegs wie die von Dynamo, aber zu den treuesten im Lande zählen sie definitiv: Tausende stehen alle zwei Wochen in der Nordkurve, bei jedem Auswärtsspiel bildeten sie auch in der vergangenen Saison, dem vierten Zweitligajahr in Serie, einen ausverkauften Gästeblock. Doch zuletzt klagten die Offiziellen immer wieder, dass eine zu hohe Erwartungshaltung in der Öffentlichkeit die Spieler genauso hemmen würde, wie die Atmosphäre im Stadion.

"Auf Schalke oder in Magdeburg musst du bereit sein, bestehen zu wollen."

Und dort, heißt es, mache sich halt nicht nur die lautstarke Kurve bemerkbar, sondern auch die Zuschauer auf den teureren Plätzen, die für dieses raunende Gegrummel sorgen, das sich akustisch über viele Heimspiele legte. Besonders die jungen Spieler hat das offenbar nicht immer positiv beeinflusst. Wie also empfindet Fiél das Club-Umfeld? Ganz so emphatisch wie zu seinen Dresdner Zeiten als Spieler ist der Mann, dem man seine schwäbische Herkunft auch heute noch deutlich anhört, nicht mehr. Die Sorge, durch zu forsche Formulierungen unnötig Angriffsfläche zu bieten, merkt man ihm an.

Doch auch als Trainer scheint er einer zu sein, der die Wucht eines vollen Stadions vor allem als Chance sieht: "Unser Job ist es, den Jungs immer wieder klarmachen, dass wir dafür da sind, unser Bestes zu geben. Und wenn wir unser Optimum auf den Platz bringen, werden die Leute zufrieden sein." Übrigens auch nach Auswärtsspielen: "Auf Schalke oder in Magdeburg musst du bereit sein, bestehen zu wollen. Wenn sich jemand nicht darauf freut, dann haben wir ein ganz großes Problem. Das ist das, was Fußball ausmacht."

Dass so mancher Heimspiel-Auftritt in den zurückliegenden Jahren nicht dafür taugte, den Funken vom Platz auf die Tribüne zu zaubern, ist Fiél offenbar bewusst. Zumindest könnte man das so interpretieren, wenn er darum bittet, nicht mehr über die Vergangenheit sprechen zu müssen. Dann also ein Blick in die Zukunft: "Ich bin jemand, der offensiv denkt, weiß aber auch genau, dass du ganz große Probleme kriegst, wenn du defensiv nicht gut arbeitest. Deshalb wollen wir nach Ballverlusten den Ball möglichst schnell wiederhaben, um den Gegner vom letzten Drittel fernzuhalten." Genau diese Spielweise wollen auch Sportvorstand Olaf Rebbe und Vorstand Dieter Hecking sehen. Letzterer begründete Fiéls Beförderung auch explizit mit dessen Fußballphilosophie.

Dresdens Sportdirektor Ralf Minge machte sich selbst den Vorwurf, Fiél zu früh ins kalte Wasser geworfen zu haben

Überhaupt war für Fiél, der 2004 unter dem noch jungen Trainer Hecking bei Alemannia Aachen spielte, der Sportvorstand der entscheidende Mann bei seiner Beförderung zum Chefcoach. Fiél versichert indes, dass er im Februar noch nicht wusste, dass er intern durchaus schon als künftiger Chefcoach gesehen wurde: "Wenn es so wäre, würde ich es Ihnen sagen." Damals hatte Hecking beschlossen, den Club nach dem gescheiterten Versuch mit Markus Weinzierl selbst vor dem Abstieg zu retten - und Fiél zu seinem Co-Trainer gemacht. Schon damals dementierte Hecking im Gespräch mit der SZ zumindest nicht, dass er Fiél die Cheftrainerposition in sehr naher Zukunft zutraue. Aber erst, als der Klassenverbleib geschafft war, fragte er ihn dann auch selbst, berichtet Fiél heute: "Und dann ist es so gekommen."

Schon einmal hatte Fiél einen prominenten Fürsprecher. Als er 2015, unmittelbar nach dem Ende der eigenen Karriere, bei der Dresdner U17 als Trainer anfing, förderte ihn der damalige Sportdirektor Ralf Minge auch deshalb, weil er in ihm den kommenden Profi-Cheftrainer sah. Fiél hätte die beiden Qualitäten in sich vereint, die er für die entscheidenden im Trainerberuf hält: Fachwissen - und eine Ansprache, auf die Profis reagieren. 2019, als 38-Jähriger, wurde Fiél dann tatsächlich Dresdens Cheftrainer, schaffte den Klassenverbleib - und wurde nach 15 Spieltagen in der Folgesaison gefeuert.

Die Standardformulierung, dass man es sich bei der Entscheidung "nicht leichtgemacht" habe, durfte man Minge damals übrigens abnehmen. Er machte sich selbst den Vorwurf, Fiél zu früh ins kalte Wasser geworfen zu haben, und er ließ zwei Prognosen folgen. Die erste - dass Fiél bald erneut eine Chance als Profitrainer bekommen würde -, ist nun eingetreten. Wenn die zweite auch eintritt, hätten sie beim Club in diesem Sommer alles richtig gemacht. Minge hatte nämlich nachgeschoben, dass Fiél dann als "eines der größten Trainertalente überhaupt" beweisen werde, was er kann.

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