1. FC Köln:Modeste trifft selbst mit "falscher Hose"

Lesezeit: 4 min

  • Anthony Modeste gelingt beim 4:2 des 1.FC Köln gegen Hertha BSC ein Hattrick - er kommt nun auf 22 Saisontore.
  • Vor seinem dirtten Tor rutscht ihm die Hose runter, aber auch das hält ihn nicht auf. "Ich brauche nur XL, nicht XXL", sagt der Angreifer.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen und zur Tabelle der Bundesliga.

Von Milan Pavlovic, Köln

Wenn zwei Bundesligisten aufeinander treffen, von denen es allgemein heißt, sie seien "unangenehm zu bespielen", und das auch noch bei Wasserball-Bedingungen, kommt dabei gerne eine unansehnliche Partie heraus, bei denen selbst die TV-Zusammenschnitte qualvoll wirken. Nicht so an diesem seehundfeuchten Nachmittag in Köln, an dessen Ende die Kölner über ein 4:2 (3:0) jubelten. Und die Berliner sich wunderten: "Eigentlich haben wir gut gespielt", sagte Verteidiger Niklas Stark, aber "bei den Kölnern war jeder Schuss ein Treffer, da kann man nicht gewinnen", ergänzte Per Skjelbred.

Dass es eine rauschhafte erste Halbzeit wurde, lag auch an FC-Trainer Peter Stöger. Weil der FC fünf Liga-Spiele ohne Sieg geblieben war und ein Erfolgserlebnis brauchte, wählte der Coach aus Österreich eine ausgesprochen aggressive Formation: mit fünf Spielern, die in erster Linie offensiv denken. Sie nahmen eine 4-4-2-Aufstellung ein, die mitunter wie 4-2-4 aussah. Ehe die Gäste sich sortiert hatten, stand es 1:0. Nach einem unscheinbaren Spielaufbau erreichte der Ball Yuya Osako, der nach fescher Ballmitnahme direkt abzog. Es war ein netter Versuch aus 25 Metern, aber ein haltbarer. Rune Jarstein, ansonsten ein wichtiger Rückhalt der Berliner in dieser Saison, ließ die Kugel über die Hände in den Winkel flutschen.

Das Führungstor sollte den Kölner in die Karte spielen - tat es zunächst aber nicht. Den Gastgebern mangelte es bei den Konterversuchen an Präzision. Berlin hatte mehr vom Spiel, aber nur eine große Chance zum Ausgleich, in der 31. Minute fast aus dem Nichts: Nach einer langen Flanke von links von Marvin Plattenhart bewegte sich Vedad Ibisevic deutlich geschickter zum Ball als Verteidiger Neven Subotic. Der Stürmer schaffte es nicht, seinen Versuch aus fünf Metern zu platzieren, sodass Timo Horn dem Kopfball des Bosniers fast nicht ausweichen konnte.

Modeste trifft auch mit zu großer Hose: "Ich brauche nur XL, nicht XXL"

Erst in der 35. Minute gelang es den Kölnern, eine Kombination sehenswert auszuspielen. Über vier Stationen kam der Ball zu Osako, der die Zeit bekam, sich am Strafraumeck zu orientieren, dann hart parallel zum Tor nach innen passte, wo Anthony Modeste direkt mit links abzog. Sein Schuss schlug - diesmal unhaltbar für Jarstein - neben dem Pfosten ein. Modeste fügte seinem bekannten Emoji-Jubel diesmal eine weitere Geste hinzu: Er rührte mit der Hand, als wollte er kochen, weil er durch sein 20. Saisontor eine Wette mit einem Mannschaftsbetreuer und ein Abendessen gewonnen hatte. "Zu zweit ist es langweilig", sagte der Franzose, "er soll die ganze Mannschaft einladen."

An diesem Nachmittag blieb das große Essen eine Randepisode. Denn keine 90 Sekunden später erhöhte Modeste auf 3:0. Die Kölner hatten in der eigenen Hälfte Haraguchi den Ball abgeluchst, und der genesene Lehmann schickte Modeste steil. Der Franzose nahm den Ball artistisch mit der Hacke mit und guckte Jarstein aus, indem er den Ball links neben ihn platzierte.

SZ.de-App
:Die wichtigsten Sport-News - direkt auf Ihrem Smartphone

Neu in der SZ.de-App: Analysen und Ergebnisse im Fußball und bei wichtigen Sportereignissen direkt als Push-Mitteilung auf Ihrem Smartphone.

Drei Großchancen, drei Tore, effektiver geht es nicht. Pech für die Kölner, dass danach Pause war. Denn danach fingen die Berliner plötzlich an, Fußball zu spielen. Bei der zweiten Chance innerhalb von vier Minuten räumte FC-Torwart Horn im Luftkampf den Hertha-Verteidiger Niklas Stark aus dem Weg, Ibisevic verwandelte den fälligen Elfmeter zum Anschlusstor (50.). Die Kölner wirkten kurz panisch, rutschten auf dem nassen Rasen herum. Stöger reagierte und brachte zur Stabilisierung Marco Höger.

Doch der Sechser machte mehr als das: In der 63. Minute schickte er Modeste auf die Reise. Der 29-Jährige eilte auf Jarstein zu - und was dann folgt, ist in dieser Saison Routine. Er foppte den Berliner, indem er den Ball diesmal rechts neben ihn setzte. Obwohl dem Stürmer beim Sprint vor seinem dritten Tor die Hose runter rutschte. "Falsche Hose", sagte Modeste nach seinem zweiten Dreierpack in dieser Saison (nach dem 3:0 gegen Hamburg), "ich brauche nur XL, nicht XXL". Was muss Frankreich mit Stürmern gesegnet sein, dass Nationaltrainer Didier Deschamps noch immer keine Verwendung für den Schützen von 22 Bundesliga-Toren hat.

"Seine Geschwindigkeit ist nicht unsere Dimension."

Wo man hinhörte, wurden Elogen laut. Gäste-Trainer Pal Dardai sagte anerkennend: "Modeste war einfach zu schnell für uns, seine Geschwindigkeit ist nicht unsere Dimension." Timo Horn lobte: "Das erste Tor von Tony war Weltklasse, mit seinem schwachen Fuß." Der FC-Torwart gab zu verstehen, dass Modestes Leistung "noch höher zu bewerten" sei als jene seiner Konkurrenten Pierre-Emerick Aubameyang (23 Tore) und Robert Lewandowski (21).

Nur Peter Stöger wollte davon nichts hören. "Tony profitiert von diesem Team. Er ist ein Spieler wie jeder andere bei uns." Der FC-Trainer klang fast so, als wäre ihm die Defensivarbeit des Franzosen noch wichtiger gewesen als dessen Tore. Ob er denn schon mal einen Spieler gesehen habe, der ähnlich kaltschnäuzig vor dem Tor gewesen sei. "Ja", sagte Stöger kurz angebunden, ehe er fast unwillig ergänzte: "Der Philipp Hosiner hat mal über 30 Tore gemacht, als ich Trainer bei Austria Wien war. Das war zwar nur Österreich, aber auch da haben die Tore die gleichen Maße."

Das Spiel war mit der Modeste-Show noch nicht beendet. Denn die Hertha verkürzte bald wieder (Verteidiger Brooks ließ Modeste stehen und traf per Kopf zum 2:4), und vielleicht hätte es noch eine größere Geschichte als jene von Modeste gegeben, wenn Ibisevic in der 81. Minute per Kopf auf 3:4 verkürzt hätte - doch Timo Horn brachte irgendwie noch seinen rechten Arm in die Flugbahn.

Bundesliga
:Abstiegskampf beginnt hinter Platz sechs

Selbst Leverkusen und Schalke müssen bangen. Die Bundesliga ist damit ausgeglichener denn je - abgesehen von drei Ausnahmen.

Kommentar von Sebastian Fischer

Spektakulärere Paraden gab es in dieser Saison nur wenige. Aber auch hier bemühte sich Peter Stöger, die Begeisterung sogleich einzufangen: "Vergangene Woche in Ingolstadt hat er einen Fehler begangen, in dieser Woche hat er seinen Job gemacht. Wir sind zufrieden, dass er wieder zurück ist." Überschwängliche Freude ließ der Trainer partout nicht erkennen. Die Ergebnisse geben ihm ja Recht: Mit dieser Art der verbalen Defensive hat Stöger sein Team in Europacup-Sphären geführt.

© SZ vom 19.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: