Sprachlabor (291):Perfekt eingeriest

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Ein Bild mit der Aufschrift "Wir sind die Schlaumäuse" hängt in Bad Lobenstein (Thüringen) in der Integrativen Montessori-orientierten Grundschule an einer Tür. (Foto: dpa)

Jüngst fragten wir im Sprachlabor, was eigentlich eine "Einrieserin" sei. Und viele Leser antworteten uns - so viele, dass man für die ausgedruckten Mails dazu fast eine "Einrieserin" bräuchte. Na, neugierig geworden?

Von Hermann Unterstöger

DER LEITER EINER KOCHSCHULE wurde bei jüngst als "Mann vom pädagogischen Langmut eines Rudolf Steiner" charakterisiert, was den Schluss zulässt, dass der Autor bei dem Wort Langmut an Eigenschaften wie Über-, Hoch- oder Wankelmut dachte und es analog unter die Maskulina einreihte. Anders unser Leser B., der bei Lektüre des Textes die Vision hatte, dass über kurz oder lang eine Frau "vom philanthropischen Anmut einer Maria Montessori" die Kochschule betreten könnte. Bei Grimm findet sich zur Genese von Langmuth ein Weites und Breites, die Belege sagen aber klar, dass die Langmut stets als Femininum verstanden wurde. Hier ein Beispiel des Barock-Dichters Andreas Gryphius: "Hat unsre Langmut dies, hat unsre Gunst verdient, / dass du, Verfluchter!, dich zu dieser Tat erkühnt . . ."

DER EINSTIEG in eine journalistische Reportage gilt als große Verführungskunst, und mit entsprechendem Ehrgeiz wird daran gefeilt. Kürzlich wurde eine Frau so vorgestellt: "Rot lackierte Fingernägel umklammern eine überdimensionale Teetasse . . ." Als Frau T. das las, hämmerten ihre Fingerkuppen eine kurze, von heftiger Ratlosigkeit kündende Mail in die Tastatur. Dass es sich um eine Stilfigur handelt, ist nicht zu übersehen, und dass Stilfiguren einen Einstieg zieren können, wird niemand bestreiten. Unser Autor hat die Hand seiner Heldin die Riesentasse umklammern sehen, und da sich diese Geste für ihn in den wohl außerordentlich rot lackierten Fingernägeln verdichtete, hat er es eben so hingeschrieben: Pars pro toto. Dass dabei die Grenze zum Komischen überschritten wurde, ist nichtsdestoweniger mit Nägeln zu greifen.

DIE EINRIESERIN, nach der unlängst gefragt wurde, steht nun rund und schön vor uns. Es handelt sich um eine Frau, die Papierbögen verpackt; Kern der Berufsbezeichnung ist die Mengeneinheit Ries. Dank an alle Leser, die das wussten. Es waren ihrer so viele, dass man für die ausgedruckten Mails fast eine Einrieserin bräuchte.

© SZ vom 28.02./01.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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