Sprachlabor (48):Gesiebte Luft - bitte nicht wörtlich nehmen

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger über werdende Väter und dem akademischen Gegenstück.

Hermann Unterstöger

DA FLUGZEUGE sich ihrer Natur nach in der Luft bewegen, hält unser Leser B. den im Fall des missglückten Anschlags von Detroit allerorten verwendeten Ausdruck "in die Luft sprengen" für verfehlt. Gut beobachtet, möchte man sagen, und nicht ohne schwarzen Humor! Nichtsdestoweniger sei Herr B. daran erinnert, dass auch jemand, der an die Luft gesetzt wird, bisher schon von dieser umgeben war, und dass einer, der nur noch von Luft und Liebe lebt, vorher ebenfalls schon geatmet hat, wenn auch vielleicht weniger hektisch. Selbst die gesiebte Luft in den Gefängnissen ist nicht wörtlich zu nehmen: Den Insassen kommt sie so kompakt vor, als sei sie nie durch ein Sieb gegangen.

Die undatierte Aufnahme zeigt den Fremdsprachenunterricht im Sprachlabor einer Schule in Frankfurt am Main. (Foto: ag.dpa)

DAS LEBEN steckt voller Wunder, und eines davon erlebte der bei uns unlängst beschriebene Vater, als er "die Niederkunft seines ersten Sohnes" miterleben durfte beziehungsweise musste. Unser Leser Br. war von dem Ereignis kaum weniger beeindruckt: Damit hätte nicht nur ein Mann ein Kind geboren, sondern der Vater wäre gleichzeitig Großvater geworden. Wie sagt schon Golo von Drachenfels in Friedrich Müllers Drama "Golo und Genovefa" so treffend? "Niederkunft? Hölle!", sagt er. Durch ein flugs nachgeschobenes "War sie denn schwanger?" erweist er sich jedoch als Kenner der Zusammenhänge, und die sind so: Der Mann und die Frau zeugen das Kind, die Frau kommt nieder, das Kind wird geboren. Letzteres kann man allenfalls als Ankunft bezeichnen, nie jedoch als Niederkunft.

EIN LESER war am Telefon so fix, dass sein Name verlorenging, aber der Kern seines Anrufs war der, dass man Bundestagspräsident Norbert Lammert nicht als "studierten" Diplom-Sozialwissenschaftler bezeichnen dürfe. Da sich das Sprachlabor auch als Zufluchtsort für Umgangssprachliches versteht, sei dieser These so freundlich wie hart widersprochen. Der studierte Jurist ist das akademische Gegenstück zum gelernten Tischler, der schon im Grimm als einer beschrieben wird, der "die Lehre ordentlich durchgemacht" hat. Der Duden leitet das adjektivische Partizip gelernt von dem Verb lernen in der älteren Bedeutung lehren her, ein Abstammungsnachweis, der alles in allem auch für die Studierten gelten dürfte und der, nebenbei, dem verpönten Spruch "Was lernt uns das?" eine neue Würde verleiht

© 9./10.1.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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