Sprachlabor (4):Wenn Lehrerinnen leiden

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger über die Schwierigkeit "dieses Generve" aus dem "Allerheiligsten" rauszuhalten, wie ein Leser das Streiflicht zärtlich nannte.

Hermann Unterstöger

WENN LEHRERINNEN leiden, sind wir zur Stelle, noch dazu wenn wir selbst es sind, deretwegen sie leiden. Leserin S. - sie ist Deutschlehrerin von Beruf - lief es "kalt den Rücken herunter", als sie in der Nordwest-Zeitung, offenbar ihrem Hausblatt, von der "Verkurzfristigung der Politik" las. Was das uns angeht? Einiges, denn diese "Verkurzfristigung" war kein Eigenprodukt der nordwestlichen Kollegen, sondern ein unter deren "Pressestimmen" aufgeführtes Zitat aus der SZ.

In der Tat könnte der Streit zunächst nur geschwelt alias gekokelt haben, doch um zum Stadtgetuschel zu werden, bedurfte er des Anschwellens, weshalb er nicht "anschwelte", sondern "anschwoll". (Foto: Foto: ddp)

Bei uns im Blatt kam das Wort erst zweimal vor, und beide Male troff es aus der nämlichen Feder - einer sonst anerkannt sicheren Feder übrigens, weswegen wir deren Halter nur behutsam ermahnten, das doch lieber bleiben zu lassen. Nun aber noch eine Frage an die Deutschlehrerin S.: Läuft es einem kalt den Rücken "herunter" oder "hinunter"? Unserem Gefühl nach müsste es "hinunter" heißen, weil die Kälte sich vom Kopf, der sie registriert, doch wegbewegt. In Bayern, wo sich, wie der Duden bestätigt, der Sinn für derlei Unterschiede länger als anderswo gehalten hat, sagt man, es laufe einem kalt "åwe" oder "nunddà" - ein Beitrag, wenn man so will, zur Verlangfristigung sprachlicher Feinheiten.

WO ER RECHT hat, hat er recht, nämlich der Leser, in diesem Fall Herr v. R., der bei uns zwei neue Imperfekte entdeckte, und das noch dazu in einem einzigen Satz: "Der Streit schwelte an zum Stadtgetuschel, und am clubeigenen Schwimmbecken schwörten sich blonde Mütter usw." In der Tat könnte der Streit zunächst nur geschwelt alias gekokelt haben, doch um zum Stadtgetuschel zu werden, bedurfte er des Anschwellens, weshalb er nicht "anschwelte", sondern "anschwoll". Was immer nun die blonden Mütter im Sinn hatten, sie "schworen" es sich zu. Dann und wann trifft man zwar auf die Imperfektform "schwörte", aber selbst Google belegt mit 154.000 zu 6360 Treffern für "schwor" respektive "schwörte", dass die starken Verben kräftig genug sind, ihre Konjugation noch ein Weilchen weiterzutragen.

© SZ vom 07.02.2009/pfau - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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