Sprachlabor (4):Briefe wie dieser

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger über Filetstückchen und Schnitzer und andere Inkonsequenzen in der Kritik.

Hermann Unterstöger

BRIEFE WIE DIESER kommen nicht jeden Tag: zwei Seiten dicht gefüllt mit Fehlern aus der SZ, endend mit dem deprimierenden Hinweis, dass sich das Gedachte im Geschriebenen widerspiegelt. Von dem, was Leser Jochen Schatte uns anzukreiden hat, lässt sich nicht alles hier bereden, aber dem Kern-, um nicht zu sagen Filetstück seiner Kritik sei doch kurz nachgegangen. Die Apposition ist, möchte man meinen, kein so schwerer Gegenstand, dass man an ihr scheitern müsste. "Schon stand im Nebelkleid die Eiche, / ein aufgetürmter Riese, da": Die Eiche steht nicht nur im Nebelkleid, sondern auch im Nominativ, und so hält es auch der aufgetürmte Riese. Dessen ungeachtet fand Herr Schatte in einem Text über Joachim Kaisers Geburtstagsfest einige Inkonsequenzen, darunter beispielshalber die Mitteilung, was ein Geschäftsführer bei dieser Feier tat: Er kam "mit dem Geschenk des Verlags zur Tür herein - ein Fahrrad für den passionierten Radfahrer Kaiser".

Die undatierte Aufnahme zeigt den Fremdsprachenunterricht im Sprachlabor einer Schule in Frankfurt am Main. (Foto: Foto: dpa)

Nun gibt es, wie im Duden zu lesen ist, zwar Abweichungen vom Gebot der Kasusgleichheit: "Das Wirken dieses Mannes, Vorkämpfer für die Rassengleichheit..." Hier aber ist kein Grund zu erkennen, wieso der Kongruenz der Fälle nicht die ihr gebührende Ehre erwiesen wurde: "mit dem Geschenk, einem Fahrrad." Zugegebenermaßen können solche Schnitzer, wie ärgerlich sie sein mögen, auch zu erheblicher Heiterkeit führen. Der Spiegel steuerte dazu vor Jahr und Tag ein schönes Beispiel aus dem Maintal Tagesanzeiger bei: "Der Halter des Hundes, ein hellbrauner Husky-Rüde, hat sich mittlerweile bei der Autobahnpolizei gemeldet." Die Nachrichtenagentur AP schilderte einmal, mit welchem Trick der norwegische Abenteurer Børge Ousland zum Südpol gelangte: "Als einzigem Hilfsmittel bediente er sich eines Segels."

Der Fall zeigt freilich auch die Krux allzu strikter Kongruenz. Schriebe man nämlich "Als (des) einzigen Hilfsmittels", klänge das seltsam, weswegen man besser zur Schlichtheit seine Zuflucht genommen hätte: "Sein einziges Hilfsmittel war ein Segel." In einem anderen Artikel fand Herr Schatte eine Konstruktion, die sehr gut zeigt, wie aus der textlichen eine begriffliche Unschärfe resultieren kann. Die Stelle lautet: "Walter Scott, der Burns als junger Mann in Edinburgh getroffen hatte..." Wer nun, was ja vorkommen kann, nicht weiß, wann genau Scott und Burns gelebt haben, könnte auf den Gedanken verfallen, Burns sei bei jener Begegnung der junge Mann gewesen. Für ihn müsste es heißen: "der Burns als jungen Mann getroffen hatte." Da indessen Burns der Ältere war, hätte der Verfasser um der Klarheit willen besser so geschrieben: "Scott, der als junger Mann Burns getroffen hatte."

© SZ vom 14.02.2009/agfa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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