Sprachlabor (39):Kelten fürchten nicht viel

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger über das Verb schleifen und die fehlende wichtige Information.

Hermann Unterstöger

ÜBER DIE ALTEN KELTEN stand bei uns unlängst zu lesen, sie hätten nichts auf der Welt gefürchtet, außer dass ihnen der Himmel aufs Haupt fallen könnte. Das war unklug, denn nun ist ihnen, wie unser Leser K. bemerkt hat, auch noch ein unregelmäßiges Verb auf den Kopf gefallen, möglicherweise als späte Strafe dafür, dass sie die Köpfe ihrer Feinde den Pferden um den Hals "hingen" statt "hängten". Das Verb hängen gibt es - ach und weh, dass man daran erinnern muss - in transitiver und intransitiver Form. Hängt man Köpfe an Pferdehälse, so wird das, bei aller Ruchlosigkeit, regelmäßig gebeugt: Der Kelte hängt, hängte oder hat die Köpfe gehängt, diese hingegen hängen, hingen oder haben gehangen.

Die undatierte Aufnahme zeigt den Fremdsprachenunterricht im Sprachlabor einer Schule in Frankfurt am Main. (Foto: ag.dpa)

UND NOCHMAL ACH UND WEH: Das Verb schleifen verfügt ebenfalls über eine schwache und eine starke Konjugation, je nachdem, ob man eine Burg schleift oder ein Messer: Burgen werden geschleift, Messer geschliffen. Als im Internet einmal eine Martina nach dem Unterschied fragte, antwortete ihr ein Helge: "Die Dielen hast du abgeschliffen, aber deinen Mann aus der Kneipe geschleift." Hätte der Kollege, der kürzlich von geschliffenen Kirchengemeinden schrieb, diesen Merksatz beachtet, hätte Leser Dr. W. nicht fragen müssen, ob daran möglicherweise Unteroffiziere beteiligt waren.

ACH UND WEH, DIE DRITTE: In der Unterzeile einer Berlin-Reportage hieß es: "Auf 5800 Kilometern Berliner Straßen fackelt fast jede Nacht ein Luxusschlitten ab." Die wichtigste Information fehlte hier: Wen fackelt dieser Luxusschlitten Nacht für Nacht ab?

PAUL FLEMING hat einmal bedichtet, "wie er wolle geküsset seyn", nämlich unter anderem "nicht zu wenig, nicht zu viel! / Beydes wird sonst Kinder-spiel." In einem vergleichsweise kurzen Feuilletontext passierte nun genau beydes: Darin stand, zu Leser E.'s Missvergnügen, ein Genitiv zu wenig und ein Präfix zu viel. Der Genitiv fehlte da, wo es von einem Theatermann hieß, er habe sich "Nietzsches Zarathustra" angenommen (richtig: Zarathustras). Dafür aber wurde der simplifizierenden Exegese, die man Nietzsches Worten bei der Gelegenheit angedeihen ließ, ein gänzlich überflüssiges ver- vorgeschachtelt: "versimplifizierend". E. diagnostiziert das als Hybridbildung aus simplifizieren und versimpeln.

© 7./8.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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