Sprachlabor (37):Polanski und das "stumpfe Schwert"

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger über Punkt oder Komma und Irritationen.

Hermann Unterstöger

WAS EIN STUMPFES SCHWERT noch bewirken kann, ist in Fontanes Ballade "Swend Gabelbart" nachzulesen. Dieser Gabelbart, König von Dänemark, eroberte England und kam dabei auch in die Abtei St. Edmund, wo er in einer Nische das Standbild Edmunds sah und seinen Spott damit trieb, besonders mit dessen stumpfem Schwert. Man ahnt, wie das ausgeht. Edmund steigt - "tapp und tapp" - von seinem Podest und bietet Gabelbart den Kampf an, mit fatalen Folgen für den Dänen: "Das stumpfe Schwert, es traf ihn gut, / Swend Gabelbart liegt in seinem Blut." Nun haben wir es hier freilich mit einer Ausnahme zu tun; generell ist die Metapher vom "stumpfen Schwert" (des § 113 GG, der Kritik, der Leitzinssenkungen, um drei Beispiele aus der Tagespresse zu nennen) schon ganz brauchbar. Bei uns allerdings wurde im Zusammenhang mit dem Fall Polanski die Frage gestellt, ob man "mit dem stumpfen Schwert einer späten juristischen Aufarbeitung nachkarten" solle. Solle man nicht, meint Leser Dr. B. und verweist auf den Zahn der Zeit, der schon so manche Träne getrocknet hat. Für den alten Swend Gabelbart kommt auch das zu spät.

Die undatierte Aufnahme zeigt den Fremdsprachenunterricht im Sprachlabor einer Schule in Frankfurt am Main. (Foto: ag.dpa)

"DA ICH IHNEN nun schon schreibe", fährt Dr. B. fort, und wenn ein neuer Absatz so beginnt, weiß man, dass es dick kommen wird. In der Tat bringt Herr B. die Rede auf ein vergleichsweise neues, von einigen Kollegen aber mit Inbrunst gepflegtes stilistisches Gebaren, das darin besteht, den Nebensatz vom Hauptsatz durch einen Punkt statt durch das übliche, in den Regeln wohl auch vorgeschriebene Komma abzutrennen. Um ein Beispiel zu konstruieren: "Max gab Sepp eine Ohrfeige. Obwohl das nicht notwendig gewesen wäre." Das Sprachlabor tappt bei diesem Phänomen im Dunkeln, weil es ja Fälle gibt, in denen es um der dramatischen Wirkung willen sinnvoll ist, gewissermaßen staccato zu schreiben: "Max gab Sepp eine Ohrfeige. Weil es anders nicht mehr ging. Weil das Fass am Überlaufen war. Weil alles einmal ein Ende haben muss." Wir sind die Liste der rhetorischen Figuren rauf und runter durchgegangen, haben aber nichts gefunden, was auf dieses Phänomen passt. Weiß jemand weiter?

KLEINE SCHNITZER irritieren oft mehr als große, etwa die Konstruktion "während und nach des Studiums", die Leser E. ins Auge und mehr noch in die Seele stach. Dabei wäre es ein Leichtes gewesen, sich mit "während des Studiums und danach" oder "während und nach dem Studium" aus der Affäre zu ziehen.

© 24./25.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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