Sprachlabor (35):"Der alte Fuhrmann" ist ein Ehrentitel

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger über Gräuel, Greuel oder Grewel

Hermann Unterstöger

DER GRÄUEL SCHRIEB SICH früher Greuel und noch früher Grewel, war aber immer ein eindeutig männlicher Begriff, was man nirgends klarer sieht als in Luthers wüster Schrift "Wider das Bapstum", worin der Papst "der grewliche Grewel zu Rom" genannt wird. Schwamm drüber! Im Feuilleton aber stand unlängst zu lesen, dass - es ging um die Causa Thielemann - dies und das für des Dirigenten Anhänger "ein nicht nachvollziehbares Gräuel" sei. Das wiederum war unserem Leser F. ein Gräuel, und zwar ein zwiefacher. Zum einen und Geringeren stieß er sich an der sächlichen Präsentation des Gräuels, zum anderen und in der Hauptsache war es ihm jedoch um "das üble Modewort" nachvollziehbar zu tun, das "wohl wegen seines bombastischen Auftretens so ungerechtfertigt beliebt geworden ist". Im übrigen, sagt Herr F. im Hinblick auf den eigentlichen Sinn des Wortes nachvollziehen, wollte Thielemanns Gemeinde doch nichts wiederholen, am wenigsten einen Gräuel.

Die undatierte Aufnahme zeigt den Fremdsprachenunterricht im Sprachlabor einer Schule in Frankfurt am Main. (Foto: ag.dpa)

DER TIERSCHUTZ ist vielen Menschen ein ernstes Anliegen; entsprechend üppig wird darüber geschrieben. Was die Wortwahl angeht, so läuft die SZ wahrscheinlich im Rudel mit, das heißt, sie verwendet - in absteigender Frequenz - Vokabeln wie artgerecht, tiergerecht, artgemäß und verhaltensgerecht. Unser Leser Dr. U., eine Koryphäe auf dem Feld der Tierverhaltenskunde, schreibt uns dazu, wir sollten das Topwort artgerecht etwas mehr in den Hintergrund rücken, weil es beim Tierschutz laut Gesetz darauf ankomme, das Tier "verhaltensgerecht unterzubringen" und dessen Möglichkeit "zu artgemäßer Bewegung" nicht ungebührlich einzuschränken. Im Tierschutz Fortgeschrittene griffen zu dem Terminus "tiergerecht", da eine "nur artgemäße Haltung" dem spezifischen Bedarf jedes Einzeltieres zu wenig Rechnung trage. Wir geben das gern sowohl wieder als auch weiter, und zwar to whom it may concern.

"WAS MACHT DER FUHRMANN?", heißt es im Volkslied, und die Antwort lautet: "Der Fuhrmann spannt den Wagen an, die Pferde zieh'n, die Peitsche knallt." Da Peter Scholl-Latour nie mit Peitsche auftritt, war es wahrscheinlich falsch, ihn mit dem Ehrentitel "der alte Fuhrmann" zu belegen. Nimmt man zusammen, was man über sein bewegtes Leben weiß, war er, wiewohl kein Seemann im strengen Sinn, eher das, was man einen "alten Fahrensmann" nennt.

© 10./11.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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