Sprachlabor (3):Der Lärm ums "Kursiverl"

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger über die Schwierigkeit "dieses Generve" aus dem "Allerheiligsten" rauszuhalten, wie ein Leser das Streiflicht zärtlich nannte.

Hermann Unterstöger

WAS WAREN DAS noch für gemütliche Zeiten, als man in den Zeitungen mit dem arbeiten konnte, was im bairisch-österreichischen Raum "Kursiverl" genannt wurde. Darunter verstand man ein glossierendes Textchen von nur wenigen Zeilen, das für eine Nachricht zu persönlich und für einen Kommentar zu unwichtig war. Beides, die Nichtigkeit wie auch deren individuelle Präsentation, signalisierte man dem Leser dadurch, dass man die Kursivschrift verwendete. Die sieht so aus: kursiv.

Die undatierte Aufnahme zeigt den Fremdsprachenunterricht im Sprachlabor einer Schule in Frankfurt am Main. (Foto: Foto: dpa)

Ungeachtet dessen, dass sie eine lange Geschichte und schon deswegen eine gewisse Würde hat, ist mit der Kursivschrift heute kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Sie zählt zu den "Auszeichnungsschriften", doch so prächtig, wie sich das anhört, ist es damit in der Wirklichkeit nicht bestellt. Die meisten Blätter beschränken sich darauf, sie für Namen von Personen (siehe unten) oder Medien - Handelsblatt - und für Zitate aus fremden Sprachen zu verwenden: si tacuisses und so Sachen.

Wozu der Lärm? Nun, kürzlich wollte ein Streiflicht-Schreiber das, was in der gesprochenen Rede durch Anheben der Stimme oder Hochrecken der Faust ausgedrückt wird, auch in der Schrift darstellen, und er wählte dafür die Kursive: "Man stellte sich vor, man musste sich vorstellen..." Bei uns ging das durch, nicht jedoch beim Leser A. aus Wien, der uns "missbräuchlich angewandte Kursiv-Schreiberei" vorhielt und damit drohte, dass es, sollte "dieses Generve auch vor dem Allerheiligsten" nicht haltmachen, "einen Leser aus dem befreundeten Ausland weniger" gebe.

Das ist jetzt das, was man eine Bredouille nennt. Einerseits kann man jemandem, der das Streiflicht für das Allerheiligste hält, nur schwer widersprechen. Andererseits handelt es sich bei Herrn A. um den Dichter Reinhold Aumaier, der in seinen Gedichten auch gelegentlich zu einer Auszeichnungsschrift greift, nur eben nicht zur Kursive, sondern zur Sperrung. Hier aus seinen "Mottogedichten" ein Beispiel: "verdichte dein leben/ in eine sekunde/ stopf in ein wort/ (d)einen ganzen/ roman..." Ist das wirklich besser?

Was übrigens den Titel "Streiflicht" betrifft, so schreiben wir ihn nach altem Hausbrauch ebenfalls gern kursiv. Fürs Allerheiligste ist uns nichts zu schade.

© SZ vom 31.01.2009, agfa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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