Sprachlabor (281):Neudeutsch

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Auf einem roten Ball ist ein Totenkopf aufgedruckt. (Foto: dpa)

An Hühnerfutter oder myopic (engl. für kurzsichtig) dachte Leserin Dr. B., als sie im SZ-Fernsehteil über ein Biopic stolperte. Das ist Neudeutsch für Filmbiografie.

Von Hermann Unterstöger

AN HÜHNERFUTTER und myopic (engl. für kurzsichtig) dachte Leserin Dr. B., als sie im Fernsehteil über ein Biopic stolperte. Sie reimte sich dann zwar zusammen, dass es sich um eine Filmbiografie handelt, fragte sich aber, was dieses aus biographical picture zusammengezogene Jargonwort in einem Blatt wie unserem verloren habe. Die Antwort? Einerseits steht der Ausdruck seit 2009 im Duden, gilt also als Teil der Alltagssprache. Andererseits der Anglizismen-Index: Er führt Biopic mit der Kennung, dass es ein funktionsfähiges, gemeinverständliches deutsches Wort verdränge und so unsere Sprache verflachen helfe. Diese Kennung ist dem Totenkopf auf der Giftflasche vergleichbar, und darum: Finger weg!

DA SIE IN FAHRT WAR, hat Frau Dr. B. gleich noch dafür plädiert, den "ominösen ,Steinwurf'" in den Ruhestand zu versetzen. "Wer", fragt sie, "wirft denn mit Steinen nach Nachbarhäusern?" Nun, erstens tun das nach wie vor manche Leute. Zweitens aber geht es gar nicht ums tatsächliche Werfen von Steinen, wenn die Überschaubarkeit einer Entfernung bildlich ausgedrückt werden soll - wenn das Geld flöten geht, ist das ja auch kein musikalisches Ereignis. Wir werden die Steinwurf-Metapher wohl beibehalten, und sei es nur der bärenstarken Brünhild wegen, die einen Stein zwölf Klafter weit warf, einen Stein immerhin, den zwölf Männer kaum tragen konnten.

(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

WO LIEGT POLEN? Unser Mann in Warschau sagt: in Mittelosteuropa. Unser Leser Dr. B. findet, dass Polen damit kulturell, historisch und aktuell-politisch Unrecht getan werde, weil Polen nicht in der Mitte Osteuropas liege, sondern im Osten Mitteleuropas. Übereinstimmend schreiben etliche Lexika, dass Mittel- und Osteuropa geografisch nicht präzise gegeneinander abzugrenzen seien, mit dem Ergebnis, dass sie Polen mal hier und mal dort erscheinen lassen. Wenn das Auge was zu sagen hat: Ohne Polen schaut der mitteleuropäische Block mickrig und unfertig aus.

© SZ vom 20.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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