Sprachlabor (28):Gustatorische Feinheit

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger über Zitate als Überschriften von Zeitungsartikeln und die Verwendung des Superlativs bei Adjektiven.

Hermann Unterstöger

An dieser Stelle kann man's ja ruhig mal sagen, dass maßgebliche Teile unserer Chefredaktion es nicht gern sehen, wenn Überschriften mit Zitaten bestritten werden, dass sie aber nur selten einen Grund dafür nennen können. Den haben sie nun vielleicht.

Die undatierte Aufnahme zeigt den Fremdsprachenunterricht im Sprachlabor einer Schule in Frankfurt am Main. (Foto: Foto: dpa)

Als BMW seinen Ausstieg aus der Formel 1 verkündete, sagte der ehemalige Schweizer Rennfahrer Marc Surer, das hinterlasse "einen fahlen Beigeschmack", eine gustatorische Feinheit, die zum Kummer unseres Lesers H. von den Sportkollegen in die Rubrik übernommen wurde. Im täglichen Sprachgebrauch kommt fahl derart selten vor, dass man meinen könnte, es sei dem vierten apokalyptischen Reiter vorbehalten, dem Tod, der auf einem fahlen (in älteren Texten: falben) Ross sitzt und mit dem nicht gut Kirschen essen ist.

Könnte es sein, dass fahl in der Schweiz eine Sonderbedeutung hat, vergleichbar dem Ausläufer, der dort auch ein Bote sein kann? Das mag klären, wer will und wer es kann. Zugunsten Surers und der Kollegen vom Sport sei jedoch ein Fund aus dem Duden wiedergegeben. Darin werden für fahl im Sinn von nach nichts schmeckend die von Klaus Mann erfundenen "etwas fahlen Leckereien" aufgeführt.

Dass Traugott Buhre unvergessen bleibt, ist sehr zu wünschen. Unser Feuilleton hat bereits damit begonnen, ihm diesen Raum der Unvergessenheit einzurichten, indem es Bernhards Theatermacher als seine "vielleicht unvergessenste" Rolle an die Wand heftete. Leser Dr. G., der Buhre als Theatermacher im Berliner Ensemble gesehen hat, kann das in der Sache bestätigen, meint jedoch, dass unvergessen auch schon genügt hätte.

Recht hat er. Stünde es nicht in der Grammatik, dass Adjektive wie ledig, blutjung, unüberhörbar, kinderlos oder neunfach nicht gesteigert werden, wäre man versucht zu sagen, dass dies eins der ungeschriebensten Gesetze des Deutschen sei.

Vor etwa vier Wochen fragten wir unsere Leser, ob sie wüssten, wo der Satz "Aber das ist eine andere Geschichte" erstmals vorkommt. Unsere eigene Recherche hatte sich bei Dostojewskis Roman "Schuld und Sühne" festgefahren, dessen Schlussabsatz so ähnlich beginnt. Die meisten Zuschriften nannten als Quelle den Wirt Moustache aus Billy Wilders Film "Das Mädchen Irma La Douce". Die daraus resultierende Zweitfrage, wann und wo Dostojewski diesen Film gesehen hat, sei hiermit an die Literaturgeschichte weitergereicht.

© SZ vom 22.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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