Sprachlabor (24):Aber das ist eine andere Geschichte

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger über einen schönen Genitiv, Dämme ums Licht und journalistische Kniffe zum Artikelende.

Hermann Unterstöger

Zwei Jahre ruhte das Dokument im Giftschrank, doch nun, zur Festspielzeit, sei es hervorgeholt und nochmal kurz betrachtet. Damals wurde über den Heldentenor Klaus Florian Vogt geschrieben, er sei "mit dem Aufhebens um seine Person ein wenig überfordert", und man konnte sich des Gefühls nicht erwehren, hier habe jemand den Genitiv in viel Aufhebens machen schwer missverstanden.

Die undatierte Aufnahme zeigt den Fremdsprachenunterricht im Sprachlabor einer Schule in Frankfurt am Main. (Foto: Foto: dpa)

Was für eine Sorte Genitiv das ist, soll die Fachwelt entscheiden; bei vager Betrachtung macht er den Eindruck eines Genitivus partitivus, dergestalt, dass von der Gesamtmenge des Aufhebens ein Teil, nämlich viel, präsentiert wird. Den Wörterbüchern zufolge kommt der Ausdruck aus der Fechtkunst, bei der zu Beginn des Kampfes die Waffen unter großem Brimborium vom Boden genommen, also aufgehoben wurden.

Als Paulus sich von den Ältesten der Gemeinde Ephesus verabschiedete, weinten diese sehr, was bei Luther so lautet: "Es ward aber viel weinens vnter jnen allen / vnd fielen Paulo vmb den Hals vnd küsseten jn." Schön ist er ja, dieser Genitiv; trotzdem wäre das "s" seinerzeit besser getilgt worden, und zwar ohne viel Federlesens.

Ähnlich gut abgehangen ist der Bericht über eine Lesung Richard Fords an der Uni München, die bei "gedämmtem Licht" vonstatten ging. Unsere Leserin W., die Versprecher beziehungsweise Verschreiber von Berufs wegen sammelt und einordnet, ließ die naheliegende Frage, ob da um das Licht ein Damm gezogen worden sei, im weiten Feld stehen und freute sich von Herzen über das, was sie für eine Kontamination aus gedämpft und gedimmt hält. Man darf annehmen, dass der Fund in die Fachliteratur eingegangen ist.

Preisfrage genehm? Zu den besseren journalistischen Notbehelfen gehört der Schluss "Aber das ist eine andere Geschichte", besser deswegen, weil er etwas dichterisch Raunendes an sich hat. Weiß jemand, wer diesen Schluss erfunden hat? Unsere Suche ist über das ergreifende Ende von Dostojewskis Roman "Schuld und Sühne" - "Aber hier beginnt bereits eine andere Geschichte..." - leider noch nicht hinausgelangt. Was es zu gewinnen gibt? Das ist ebenfalls eine andere Geschichte.

© SZ vom 25.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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