Sprachlabor (22):Fremdwortsalat

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger über die Fremdwörter "serapiontisch", "extrovertiert", die "Predella" und das "Reservoir".

Hermann Unterstöger

Fremdwort eins: "Ich nehme doch an", schrieb unsere Leserin M. kürzlich, "dass man die SZ auch ohne Zuziehung von Wörterbüchern lesen können sollte." Das walte Gott, möchte man darauf antworten, doch sieht es in der Wirklichkeit so aus, dass "realitätsaffin", "Entrepreneur" oder "inkommensurabel" keineswegs zum Alltagswortschatz gehören.

Die undatierte Aufnahme zeigt den Fremdsprachenunterricht im Sprachlabor einer Schule in Frankfurt am Main. (Foto: Foto: dpa)

Besonders dürfte dies für das Wort "serapiontisch" gelten, das weder mit den Seraphim noch mit Serpentinen etwas zu schaffen hat, sondern mit einer Erzählweise, bei der sich das Reale und Phantastische so durchdringen, dass Romantik daraus erwächst - E. T. A. Hoffmann, mit einem Wort. Zugunsten des SZ-Autors, der dieses Wort verwendete, muss gesagt werden, dass er sich deutlich auf Hoffmanns "Serapionsbrüder" bezog. Dieser Bonus war in Frau M.s Augen allerdings verwirkt, als er im gleichen Atemzug ein "eskapistisches Rockgebäude" erstehen ließ.

Fremdwort zwei: Wie der Kalifornier als solcher beschaffen ist, kann man nicht mit einem Wort sagen. Bei uns hieß es, er sei "ein eher zurückhaltender als extemporierter Mensch", eine insofern richtige Charakteristik, als der Kalifornier wohl in der Tat nicht aus dem Stegreif gesprochen ist, mag er gleich im Einzelfall diesen Eindruck erwecken. Leser D. holt das richtige Wort aus der Schatulle: "extrovertiert".

Fremdwort drei: Was ist los, wenn einer unserer besten Autoren die Predella zweimal hintereinander als "Pedrella" bezeichnet? Ist der Geist über ihn gekommen, so wie weiland über Stoiber, als er die "gludernde Lot" entfachte? Wollte er einen Scherz von der Sorte "Schnaprikapitzel" unterbringen? Begab sich eine Metathese, wie sie aus der Lautlehre bekannt ist - Krokodil versus cocodrilo, Roland versus Orlando, Wespe versus Weps? Unser Leser E. wüsste das gern, wir vom Labor auch.

Fremdwort vier: Fremdwörter seien Glückssache, zitiert Leser C. seinen alten Deutschlehrer. Aktuell will er damit die Stelle geißeln, wo es im Bezug auf das Wattenmeer hieß, die Anerkennung der Unesco erhalte so ein "Reservoir" erst dann und dann. Auch hier sei für den Kollegen ein Wort eingelegt, da das Wattenmeer sowohl Biosphären-Reservat ist als auch Nahrungs-Reservoir für Millionen Lebewesen. Fremdwörter sind also nicht nur Glückssache, sondern oft eine rechte Syphilisarbeit.

© SZ vom 11.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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