Sprachlabor (18):Haarspalterei um Haydn

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger über das Suffix -keit, Haydns Todesdatum und unverhoffte Probleme.

Hermann Unterstöger

Den Unterschied zwischen Widerspruch und Widersprüchlichkeit hätte Leser K. gern erklärt; er selber, schreibt er, könne da "außer heißer Luft... nix erkennen". Anlass war ein Bericht über zwei Verfahren gegen den Polizisten Kurras, die "von allerlei Widersprüchlichkeiten geprägt waren". Es überstiege die räumlichen und leider auch fachlichen Grenzen dieser Kolumne, wollte man erläutern, welche Rolle das Suffix -keit in der Wortbildung spielt.

Die undatierte Aufnahme zeigt den Fremdsprachenunterricht im Sprachlabor einer Schule in Frankfurt am Main. (Foto: Foto: dpa)

Man kann aber das innig gefühlte Urteil abgeben, dass dieses Anhängsel unter anderem eine gewisse Abstrahierung bewirkt: Wenn einer wiederholt durch nette Gesten auffällt, wird man ihm eines Tages eine generelle Nettigkeit attestieren, und wo viele einnehmende Damen versammelt waren, sprachen Kavaliere der alten Schule gern von holder Weiblichkeit. So gesehen, waren die Kurras-Prozesse wohl eher von Widersprüchen geprägt und allenfalls in ihrer Summe eine einzige Widersprüchlichkeit.

Das Spalten von Haaren gehört, sofern es von Ranküne frei ist, zu den schöneren Übungen, und in diese Disziplin schlägt wohl auch die Frage unseres Lesers Dr. G., ob Joseph Haydn wirklich, wie im Blatt berichtet, "am Pfingstsonntag vor 200 Jahren starb". Halten wir uns an die Fakten: Haydn starb am 31. Mai 1809 in seinem Haus in der Kleinen Steingasse im Windmühlgrund, heute Haydngasse im 6. Wiener Gemeindebezirk, und zwar laut Kirchenbuch an Entkräftung.

Dieser 31. Mai war aber nicht der Pfingstsonntag, sondern der Mittwoch nach Trinitatis. Pfingsten wurde am 21./22. Mai gefeiert, auch das ein historisches Datum, weil an diesen zwei Tagen die Schlacht bei Aspern geschlagen wurde. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass bei dieser Schlacht Napoleons Freund, der General Jean Lannes, von einer Kanonenkugel getroffen und schwer verwundet wurde. Er starb am selben Tag wie Joseph Haydn, allerdings am Wundbrand und in Kaiserebersdorf, heute 11. Wiener Gemeindebezirk. So viel in Kürze zum Mai vor 200 Jahren.

Unverhofft kommt oft, sagt das Sprichwort, doch wenn es nach unserer Leserin Dr. L. ginge, könnte unverhofft ruhig auch etwas seltener kommen. Ihr schönster Beispielsatz dazu stand kürzlich bei uns im Blatt: "Es gab viele unverhoffte Probleme." Eines davon scheint zu sein, dass sich weder das Wort unerwartet noch das Wort unvorhergesehen rechtzeitig hatte einstellen wollen.

© SZ vom 13.06.2009/dab - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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