Sprachlabor (16):"Mia san de mehran, mia san de schweran"

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Hermann Unterstöger über das Überwiegen der Mehrheit und darüber, ob Skispringer ohne Thermik abstürzen oder nicht.

Hermann Unterstöger

Die Mehrheit ist die größere Menge oder Anzahl aus einer Gesamtheit, und insofern gehört es zu ihrem Wesen, die kleinere Menge oder Anzahl, also die Minderheit, zu überwiegen, wie das ja auch in dem kernbayerischen Haupt- und Staatsmotto "Mia san de mehran, mia san de schweran" bündig niedergelegt ist. Aus diesem Grund dürfte es die "überwiegende Mehrheit" eigentlich gar nicht geben, doch wie so vieles, das es gar nicht geben dürfte, führt sie vor allem in den Medien das ausgebreitetste Leben.

Die undatierte Aufnahme zeigt den Fremdsprachenunterricht im Sprachlabor einer Schule in Frankfurt am Main. (Foto: Foto: dpa)

Da Leser H. den Pleonasmus auch bei uns im Blatt gefunden hat, legt er uns dringend ans Herz, den weißen Schimmel abzuschirren respektive die tote Leiche wegzuschaffen. Wir merken uns, dass die Mehrheiten einfach, knapp oder überwältigend sein können. Das Überwiegen macht sich in anderen Zusammenhängen besser, und Grimms Deutsches Wörterbuch bietet dazu ein ebenso schönes wie altes Exempel: "so du schon hefftig feyszt wurdst und ein grossen leib überkumpst, wirstu doch nimmer so grosz, das du ein feyszten ochsen überwigest."

Im Sprachlabor herrscht selten Hektik. Sie bricht aber zuverlässig aus, wenn außersprachliche Gegenstände zur Untersuchung einlangen, womöglich noch dazu solche mit mathematischem oder technischem Bezug. Das geschah kürzlich, als sich unser Leser Sch. an der Formulierung stieß, Herbstmeister Hoffenheim sei nach dem Winter abgestürzt "wie ein Skiflieger ohne Thermik".

Seinem Verständnis nach greift dem Skiflieger zwar gelegentlich der auf den Hang auftreffende Wind unter die Arme, aber mit der Thermik, wie der Segelflieger sie nutzt und schätzt, habe das nichts zu tun. Dem wollten wir uns anschließen und den Kollegen von der Sportredaktion höhnisch zurufen, wo denn bei der Eiseskälte bitte eine Thermik herkommen solle, doch dann entdeckten wir im Archiv einen gut abgehangenen Text aus der Zeit, in dem sich der Skiflieger und Schanzenbauer Heini Klopfer zu der Sache äußerte.

Was man brauche, sagte er, sei ein guter Schnee, wenig Wind und viel Sonne, von dieser aber nicht zu viel, "denn heute wissen wir, dass nur ein Aufwind (Thermik) von etwa zwei Metern je Sekunde ideal ist". Tja, was nun? Sicher scheint nur eines zu sein: dass die sprichwörtliche heiße Luft zu ihrer Entstehung weder Schnee noch Wind noch Sonne braucht.

© SZ vom 30.05.2009/dab - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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