Sprachlabor (13):"Das geht mir auf Nerven"

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Hermann Unterstöger über den Holzweg des erhabenen Dativs, splitternde Scheiben und sprachliche Tritte in den Unterleib.

Hermann Unterstöger

Der Holzweg ist eine vielbegangene Straße, und wiewohl es sich diese Kolumne zum Vorsatz genommen hat, ihn von Fall zu Fall auszuleuchten und vor ihm zu warnen, landet sie gelegentlich selbst darauf. Kürzlich ging es um den Halbsatz "Seit aus dem Holz Tische statt Büchern gemacht werden", an dem der vermeintlich falsche Dativ Büchern gerügt wurde. Wachsame Leser merkten dazu an, dass die Präposition statt zwar den Genitiv regiere, dass dieser Genitiv aber durch den Dativ zu ersetzen sei, falls er vom Nominativ nicht zu unterscheiden ist. Bei dem Wort Buch ist das so. Der Genitiv Plural hat die gleiche Form wie der Nominativ und der Akkusativ Plural, nämlich Bücher, weswegen "statt Büchern" korrekt war. Hätte es sich freilich um dicke Bücher gehandelt, wäre der Genitiv in seine alten Rechte getreten: statt dicker Bücher. Wie man sieht, ist der Dativ nicht immer dem Genitiv sein Tod.

Die undatierte Aufnahme zeigt den Fremdsprachenunterricht im Sprachlabor einer Schule in Frankfurt am Main. (Foto: Foto: dpa)

"Das geht mir auf Nerven", schrieb Leser E. an den Rand eines ausgeschnittenen Artikels. Was ihn daran nervte, war die Überschrift "Ende der Gefangenschaft auf Meer", die möglicherweise daher rührte, dass ihr Verfasser nie auf See war, schon gar nicht auf hoher.

"Hoffentlich splittert dabei die Scheibe nicht", schrieb ein anderer Leser, nämlich Dr. H., und bezog sich auf die Bremer Reederei Beluga, die im Sommer die Nordostpassage nutzen will, weil da für "ein kurzes Zeitfenster" das Eis aufreiße. Die SZ hatte das lediglich zitiert, kann also bei allfälligen Glasschäden nicht herangezogen werden. Nichtsdestoweniger fassen wir Dr. H.s Ausruf als Mahnung auf, in verwandten Fällen lieber "für kurze Zeit" zu schreiben und auch die Bandbreite, die Gretchenfrage, die Nagelprobe, den Quantensprung, den Lackmustest und den Stellenwert so oft wie möglich durch ihre Grundwörter Breite, Frage, Probe, Sprung, Test und Wert zu ersetzen.

Die Schweinegrippe greift um sich. Unser Leser R. fand in einem Sammelbericht über die Seuche die Mitteilung, eine Frau sei unter Quarantäne gestellt worden, "nachdem sie mit nur leichten Symptomen zu ihrem Hausarzt ging". Nachdem Herr R. das gelesen hatte, kam er zu der Überzeugung, dass es "ein sprachlicher Tritt in den Unterleib" sei. Über diese Formulierung kann man sicher streiten, aber in der Sache hat der Mann recht.

© SZ vom 09.05.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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