Sprachlabor (10):Der "saugute" Gedrittschein

Lesezeit: 1 min

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger über edieren mit und ohne "t", Schillers Denkart und die traurige Triangel.

Hermann Unterstöger

Wenn der Papst die SZ so gründlich studiert wie unser Leser Dr. W., dürfte er "mit Missfallen erfahren haben, dass man in Madrid die spanische Ausgabe seiner gesammelten Werke, editiert hat". So Dr. W., der damit an die Konkurrenz von edieren und editieren erinnert und meint, ein Blatt wie die Süddeutsche sollte in der Lage sein, zwischen beiden zu unterscheiden. Wohl wahr. Im Duden wird der Unterschied so beschrieben: Edieren heißt ein Werk (wissenschaftlich) herausgeben, editieren hingegen "Daten in ein Terminal eingeben, löschen, ändern o. Ä." Dem einem wie dem anderen liegt das lateinisch Verb edere zugrunde, dessen Bedeutungsvielfalt von herausgeben bis hin zu zeugen reicht: "atavis edite regibus" nannte Horaz seinen Freund und Gönner Gaius Cilnius Maecenas, also "Spross alter Könige". Was immer mit Benedikts XVI. Werk geschah oder geschieht, ändern oder gar löschen darf es nur er selber.

Die undatierte Aufnahme zeigt den Fremdsprachenunterricht im Sprachlabor einer Schule in Frankfurt am Main. (Foto: Foto: dpa)

Wenn Schiller geahnt hätte, dass seine "Milch der frommen Denkart" (Tell IV, 3) fast immer zur "Milch der frommen Denkungsart" gerinnt respektive ausflockt, hätte er sich vielleicht eine andere Metapher für Wilhelm Tells redliche Gesinnung einfallen lassen. Die Glossen, in denen das Nicht-Wort Denkung menetekelgleich aufs Papier geworfen wird, sind Legion. Umso wackerer unser Leser H., der sich ermannte und darauf hinwies, dass auch Hinz und Kunz keine, wie in der SZ zu lesen, "Personen mit durchschnittlicher Denkungsart" seien. Nichtsdestoweniger und als Randnotiz: So eine Missgeburt, wie man üblicherweise meint, ist die Denkungsart nun auch wieder nicht. Goethe hat sie da und dort verwendet, ebenso Kant, und aus der anerkannt souveränen Feder Lichtenbergs führt das Grimmsche Wörterbuch "das ganze Knochengebäude unserer Denkungsart". Ist eigentlich je untersucht worden, ob Schiller nicht zunächst Denkungsart schreiben wollte, dies aber im Interesse eines ruhigen Jambenflusses unterließ?

Was im Triangelspieler an Traurigem vorgeht, weiß man aus dem einschlägigen Lied Georg Kreislers. Ähnlich traurig kam es unserem Leser S. vor, dass der/das Triangel bei uns kürzlich als die Triangel bezeichnet wurde, als wär's ein Gerät zum Fischefangen. Am traurigsten aber ist, dass man im Lateinunterricht nie erfuhr, was triangulum außer Dreieck noch heißt, nämlich Gedrittschein. Was das ist? Keine Ahnung, aber als Wort ist es saugut.

© SZ vom 18.04.2009/sus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: