Sprachlabor (1):Auf ein Wort

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger über öffentliche tätige Reue und einen denkgezettelten Kollegen.

Hermann Unterstöger

WENN IM FEUILLETON dieses Blattes von einer Kulturaffäre behauptet wird, sie sei eine Geschichte "voller Pathos und Tschindaradei", dann leuchtet bei vielen Lesern das auf, was beim Schreiber des Textes und seinem Redakteur leider nicht aufgeleuchtet hat: das Warnlicht. Da ist es freilich zu spät für eine Korrektur. Wofür es indes nie zu spät ist, das ist die öffentliche tätige Reue, und die wollen wir an dieser Stelle künftig regelmäßig leisten. Wohlan denn!

Die Aufnahme zeigt ein Fremdsprachenlabor in einer Schule in Frankfurt am Main. (Foto: Foto: dpa)

Bei "Tschindaradei" handelt es sich um eine Kontamination, um ein sogenanntes Kofferwort von Schlag der "Stagflation". Ihr vorderer Teil kommt von dem aus der Blasmusik sattsam bekannten "Tschingderassabum", der hintere von dem freudig bewegten Ausruf "Tandaradei", den Walther von den Vogelweide in die Liebeslyrik eingeführt hat: "Kust er mich? wol tûsentstunt! tandaradei! seht, wie rôt mir ist der munt." Ob Herr Walther, selbst bei Kenntnis des Bayerischen Defiliermarsches, "Tschindaradei" gedichtet hätte? Wohl kaum.

DER LUST, Substantiva zu Verben umzuformen, sind in der SZ einige Kollegen mit Haut und Haar verfallen, und in Ausübung dieser Lust kam es einmal zu der gewagten Konstruktion "er worthülst".

Leser H., der in dieser Sache auf dem Quivive ist, schrieb uns dazu, dass man zwar nicht jedes Wort goldwaagen solle, dass gegen das Verb "worthülsen" aber doch einiges spreche. Beispielhaft nannte er die Unmöglichkeit, es nach dem Muster von "eislaufen/ich laufe eis" in seine Bestandteile zu zerlegen. "Ich hülse wort" geht in der Tat nicht, und so sei denn der Kollege hiermit sowohl straf- als auch denkgezettelt.

© SZ vom 12.01.2009/ sh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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