Jahreswechsel:Diskus-Ass Harting und die 80 Meter

Berlin (dpa) - Sein Gold-Diskus zerplatzte in drei Teile - aber nicht Christoph Hartings Lebenstraum.

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Berlin (dpa) - Sein Gold-Diskus zerplatzte in drei Teile - aber nicht Christoph Hartings Lebenstraum.

"Vielen scheinen diese 80 Meter unmöglich. Sogar Biomechaniker haben gerechnet und gesagt: Bei 78 Metern ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Aber man braucht einfach Visionen. Man muss von Größerem träumen, von Höherem denken", sagte der Rio-Olympiasieger in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. "Ich schaffe es, weil ich daran glaube." Irgendwann, da ist er sich sicher, wird mal die "80" auf der Anzeigetafel stehen.

In Rio de Janeiro hat der 26 Jahre alte Berliner sensationell Gold aus dem Ring geholt. Und das mit dem Diskus seines Bruders Robert, der in der Qualifikation überraschend ausgeschieden war. Im Finale wurde die Scheibe zum Hit. Der Hüne schleuderte den Diskus im letzten Versuch 68,37 Meter weit - persönliche Bestleistung. Doch das historische Arbeitsgerät gibt es nicht mehr. Oder nur noch drei Drittel davon. Bei Dreharbeiten für Sat.1 ("21 Schlagzeilen") ging die Zwei-Kilo-Scheibe aus Metall und Plastik kaputt.

"Er schlug auf und ist in drei Teile zerbrochen. Patz!", schilderte Harting jr. grinsend die kuriose Szene, die sich Anfang Oktober bei Fernsehaufnahmen ereignete. "Die Schraube und das Gewinde sind gerissen. Aber ein Diskus ist ein Gebrauchsgegenstand - wie ein Auto. Für die Kollegen war das Journalistenglück", meinte Christoph Harting, der mit seinen roten Haaren und seiner Größe von 2,07 Metern überall auffällt.

Und der mit seiner Meinung und seinen Aktionen oft aneckt. Er selbst findet sich nicht schwierig, eher "speziell". Vor allem sein Verhalten bei der Siegerehrung in Rio hat bei vielen Beobachtern Kopfschütteln ausgelöst. Gegen Kritik wappnet sich Christoph Harting mit Zynismus - und seiner Art von Humor. "Es gab Zeitungen, die haben geschrieben: Das war hyperaktives Rumgehampel. Wenn das hyperaktiv war, dann bin ich für den freien Verkauf von Ritalin!", sagte er. Dennoch: Mit etwas Abstand verstehe er "die ganzen kritischen Gedanken. Nach wie vor setze ich mich mit dem Thema auseinander".

In der Fanpost gab es nach Rio "ausschließlich positive Reaktionen", versichert Harting. "Der Tenor war: Mach weiter so, bleib, wie du bist! Das Längste war ein Brief über vier Seiten. Natürlich habe ich geantwortet", berichtet Harting, der seinem Trainer Torsten Lönnfors sehr viel verdankt. Dieser habe "mindestens 50 Prozent Anteil an der olympischen Goldmedaille".

Und sein "großer Bruder" Robert, der schon vor vier Jahren in London Diskus-Gold eroberte? Dass zwischen beiden nicht gerade Bruderliebe blüht, ist seit Jahren ein offenes Geheimnis. "Normal" sei ihr Verhältnis, meint der fünf Jahre jüngere Christoph. "Wir sehen uns jeden Tag beim Training. Das Verhältnis wird natürlich medial gepusht. Verstehen sich die beiden nicht? Weil keiner über den anderen reden will. Das ist eine Form des Respekts."

Dass der "Große" dem "Kleinen" auf Facebook zum Olympia-Gold gratuliert hat, dürfte Harting II. auch nicht gerade in Stimmung gebracht haben. Die Botschaft hat ihn nämlich gar nicht erreicht: Seit Jahren – und das ist kein Geheimnis - ist Christoph Harting nicht mehr in den sozialen Medien unterwegs.

Das Weihnachtsfest ist ihm heilig, da nimmt sich der Psychologie- Student und Bundespolizist Zeit für die Familie. "Jeder will seinem Kind natürlich ein schönes Geschenk machen. Ein Weihnachtsbaum darf auch nicht fehlen", sagt er. "Aber das Wichtigste ist die Besinnlichkeit, das Zusammensein. Sich für einander Zeit nehmen."

Dass man von der Familie Harting - die Eltern leben in Cottbus, die Söhne in Berlin - relativ wenig hört, dürfte so bleiben. "Privates bleibt privat", stellt Christoph klar, seine Familie sei "Verschluss-Sache". Typisch Harting - "The Special One" der Leichtathletik.

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