G20:Neuer Protest in Hamburg - Polizei rechnet mit Gewalt

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Das ist nicht der schwarze Block: Polizisten marschieren an der Spitze eines Demonstrationszugs durch Hamburg. Foto: Kay Nietfeld (Foto: dpa)

Hamburg (dpa) - Am letzten Tag des G20-Gipfels haben in Hamburg erneut Tausende Menschen gegen das Treffen der Wirtschaftsmächte demonstriert. Zunächst blieb es laut Polizei friedlich. Nach der zweiten heftigen Krawallnacht in Folge rechnen die Beamten allerdings erneut mit gewaltsamen Protesten.

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Hamburg (dpa) - Am letzten Tag des G20-Gipfels haben in Hamburg erneut Tausende Menschen gegen das Treffen der Wirtschaftsmächte demonstriert. Zunächst blieb es laut Polizei friedlich. Nach der zweiten heftigen Krawallnacht in Folge rechnen die Beamten allerdings erneut mit gewaltsamen Protesten.

Die Gewalttäter würden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit unter die Demonstration „Grenzenlose Solidarität statt G20“ mischen, erklärte Hamburgs Polizeipräsident Ralf Martin Meyer. „Es ist davon auszugehen, dass erneut kein friedlicher Protest möglich sein wird.“

Bei der von Linken ausgerichteten Kundgebung „Grenzenlose Solidarität statt G20“ beteiligten sich nach Angaben der Polizei 50 000 Demonstranten. Die Veranstalter sprachen von 76 000 Teilnehmern.

Bei der Kundgebung sei es teilweise zu Auseinandersetzungen mit etwa 120 Vermummten gekommen, schrieb die Polizei. Die Beamten seien dabei massiv getreten und mit Fahnenstangen geschlagen worden. Die vermummten Teilnehmer des Aufzuges hätten später in alle Richtungen unerkannt entkommen können. Der Demonstrationszug setzte anschließend den geplanten Weg fort.

Der Linken-Bundestagsabgeordnete Jan van Aken (Anmelder) führte die Demonstration an. Sie richtete sich vor allem gegen Armut, Krieg und die Ursachen von Flucht. Linke Gruppen und Friedensinitiativen, aber auch Autonome und Linksextreme unterstützten sie.

Bei der von einem bürgerlichen Lager getragenen Kundgebung „Hamburg zeigt Haltung“ kamen laut Polizei 6000 Demonstranten, die Veranstalter sprachen von 10 000. Hier sei alles friedlich verlaufen, sagte ein Polizeisprecher.

Die Aufräumarbeiten kamen nach den heftigen Ausschreitungen in der Nacht zum Samstag im linksalternativen Schanzenviertel schnell voran. Dort waren die Proteste eskaliert: Zunächst konnten Autonome mehrere Stunden lang an der Straße Schulterblatt ungehindert randalieren. Ein Laden der Drogerie-Kette Budnikowsky und ein Rewe-Supermarkt wurden geplündert.

Danach ging die Polizei mit einem massiven Aufgebot und Spezialkräften gegen mehrere hundert Randalierer vor. Mit gepanzerten Fahrzeugen wurden brennende Barrikaden weggeschoben. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas ein. Im Laufe der Nacht beruhigte sich die Lage, vereinzelt kam es in den frühen Morgenstunden noch zu Flaschenwürfen auf Polizeifahrzeuge.

„G20: Eine solche Nacht darf sich in unserem Rechtsstaat nicht wiederholen!“, twitterte die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sprach von „bürgerkriegsähnlichen Zuständen“. Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) bezeichnete die Hamburger G20-Krawalle als „Terror“.

Hamburgs CDU-Oppositionschef André Trepoll warf Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und seinem rot-grünen Senat vor, bei der Einschätzung der Sicherheitslage rund um den G20-Gipfel versagt zu haben. „Wie kam es zu der Einschätzung, man könne den Gipfel mit dem Hafengeburtstag gleichsetzen?“ Weshalb Scholz seine „markige Sicherheitsgarantie“ für den Gipfel nicht habe halten können, müsse politisch aufgearbeitet werden.

Auch die Hamburger FDP warf Scholz vor, den Gipfel „massiv unterschätzt“ zu haben. „Olaf Scholz hat Hamburg weltweit blamiert und in Verruf gebracht“ erklärte die Vize-Bundesvorsitzende und Hamburger Landeschefin Katja Suding. Scholz selbst äußerte sich sehr besorgt über die schweren Ausschreitungen und forderte gewalttätige Demonstranten zum sofortigen Rückzug auf.

Ein Großteil der Geschäfte in der Hamburger Innenstadt blieb am Samstag geschlossen, wie City-Managerin Brigitte Engler sagte. Die Geschäftsleuten hätten dies mit dem Schutz der Mitarbeiter angesichts der Bilder aus der Krawallnacht begründet.

Die Polizei griff nach eigenen Angaben bei den schweren Krawallen in der Nacht zum Samstag nicht früher ein, weil sie um das Leben ihrer Beamten fürchtete. Nach Erkenntnissen der Polizei seien auf Dächern Gehwegplatten abgelegt und Brandflaschen vorbereitet gewesen. Beamte seien mit Stahlkugeln beschossen worden, sagte Sprecher Timo Zill. „Es ging eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben der Polizeibeamten aus. Wir wollten nicht schlecht vorbereitet in das Schanzenviertel gehen und die Räumung nicht durchbekommen.“

Die Randalierer hinterließen eine Spur der Verwüstung: Zerstörte Fahrräder, Mülltonnen, Steine und Trümmer lagen auf der Straße, Fensterscheiben waren eingeschlagen. Auf dem Rollladen eines Geschäfts stand „Chaostage Hamburg“.

Bei den gewaltsamen Protesten wurden nach Angaben der Hamburger Polizei bisher mindestens 213 Beamte verletzt (Stand: 10.00 Uhr). In der Krawallnacht zum Samstag seien 43 Menschen festgenommen und 96 in Gewahrsam genommen worden. Seit Beginn des Polizeieinsatzes am 22. Juni wurden den Polizeiangaben zufolge bisher insgesamt 143 Menschen fest- und 122 in Gewahrsam genommen. Zur Zahl der verletzten Demonstranten konnten weder Polizei noch Feuerwehr Angaben machen.

Andreas Blechschmidt vom linksautonomen Kulturzentrum „Rote Flora“ distanzierte sich von den Gewaltexzessen. „Wir haben den Eindruck gehabt, dass sich hier etwas verselbstständigt hat, dass hier eine Form von Militanz auf die Straße getragen wurde, die sich so ein bisschen an sich selbst berauscht hat - und das finden wir politisch und inhaltlich falsch“, sagte Blechschmidt dem NDR.

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