St. Michael's Mount statt Mont St. Michel:Gute Kopie

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St. Michael's Mount in Cornwall

St. Michael's Mount in Cornwall

(Foto: Toby Melville/dpa)

Der St. Michael's Mount in Cornwall sieht dem berühmten Mont St. Michel in Frankreich zum Verwechseln ähnlich. Doch hier sind die Bewohner noch unter sich - und komplimentieren Besucher höflich hinaus, wenn die Flut kommt.

Von Margit Kohl

Plötzlich ist sie weg. Von einem Tag auf den anderen hat der Nebel die Insel wie vom Erdboden verschluckt. Typisch Cornwall, diese Launen des Wetters. Noch am Vortag waren die Gäste des kleinen Ortes Marazion an der Südwest-Spitze Englands in T-Shirts unterwegs und bleichhäutige Jungen paddelten auf ihren Surfboards um die Insel des St. Michael's Mount. Steingrau ist heute die Farbe des Strandes und fast tintenschwarz die des Meeres.

Gegen Mittag dann hebt sich der Nebelschleier und man könnte meinen, die Silhouette einer anderen Insel zu sehen: Mont St. Michel in der Normandie. St. Michael's Mount sieht ihr zum Verwechseln ähnlich.

Mont Saint-Michel

Mont Saint Michel in Frankreich

(Foto: Charly Triballeau/AFP)

Auf dem begrünten Felsen draußen in der Bucht vor Marazion thront eine veritable Schloss- und Abteianlage. Der Inselberg wurde zur Zeit der normannischen Herrschaft über England Ende des 11. Jahrhunderts tatsächlich den Benediktinermönchen des französischen Mont Saint Michel übereignet. Auf dem Gipfel des Inselberges entstand eine Kirche, die auch St. Michael's Mount zu einer Pilgerstätte werden ließ.

Jedoch blieb die strategische und wirtschaftliche Bedeutung des Felsens immer wichtiger als seine religiöse. In diversen Kriegen wurde er belagert und zur Festung ausgebaut, von dem kleinen Inselhafen aus wurde Zinn verschifft, was der Grafschaft Cornwall Mitte des 19. Jahrhunderts zu Reichtum verhalf.

Im Gegensatz zu seinem französischen Geschwisterberg leben auf dem St. Michael's Mount heute keine Mönche mehr. Stattdessen bewohnt die St.-Aubyn-Familie schon in zwölfter Generation die Schlossanlage.

Auf dem Schlossberg öffnet einem ein Mann in dunkelblauem Anzug die Tür und stellt sich als James St. Aubyn vor, 5. Lord St. Levan und Schlossherr auf St. Michael's Mount. Leise Stimme, sanfter Händedruck. "Down to earth" sei der 63-jährige Lord, sagen die Einheimischen, bodenständig also.

Es imponiert ihnen auch, dass die Sympathien der meisten Adelsfamilien Cornwalls während des Bürgerkriegs im 17. Jahrhundert nicht dem König, sondern seinem bürgerlichen Widersacher Oliver Cromwell galten. Zu dieser Zeit begann auch die Ära der St.-Aubyn-Familie auf dem St. Michael's Mount, als ein Vorfahre von Lord James die Insel erwarb.

Zur Besichtigung eilt der dezente Lord schon mal voraus, denn ein Teil des Schlosses ist heute Museum. Durch ein ockergelbes Treppenhaus führen viele Steintreppen vorbei an Kommoden und Gesimsen, voller Bilderrahmen mit Fotos einer langen Familientradition. Die vier Kinder sind längst aus dem Haus und auch James' Frau Lady Mary ist verreist. So steht der Lord nun alleine im Chevy Chase Room, dem ehemaligen Speisesaal der Klosterbrüder, wo sich an Festtagen auch die St. Aubyns zum Essen einfinden.

Was momentan nur schwer vorstellbar ist, denn an der kompletten Fensterseite mit den Stuckfriesen exotischer Jagdszenen sind gerade die Restauratoren am Werk. "Eine kostspielige Angelegenheit bei denkmalgeschützten Gebäuden", sagt der Schlossherr. Doch wie ein Schlosshund heulen muss er deshalb noch lange nicht. Schon James' Großvater ist vor 60 Jahren eine vorausschauende Kooperation mit dem National Trust eingegangen, dem britischen Denkmalschutz.

Ihm hat er seinerzeit den St. Michael's Mount samt einer nicht unerheblichen Spende vermacht, um das langfristige Überleben des Inselberges zu sichern. Schlau daran war, dass James' Großvater den St. Aubyns auch ein Wohnrecht im Schloss auf 999 Jahre gesichert hat. "Inklusive dem Recht, das Tourismusgeschäft zu führen", ergänzt James.

Immerhin 30 000 Besucher hat St. Michael's Mount jedes Jahr, beim berühmten französischen Bruder sind es drei Millionen. "Mehr Besucher, aber auch mehr Probleme", sagt James.

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