Reisen in Südfrankreich: Albi:Gotische Pracht in Ziegelrot

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Bordellbilder im Bischofssitz und feine Malerei im wuchtigen Kathedralenbau: Die Provinzstadt Albi überrascht mit Kontrasten - und zählt zum Welterbe.

In einem satten Rotbraun leuchten die Ziegel der Kathedrale von Albi im Abendlicht. Die letzten Sonnenstrahlen tauchen die Westfassade in warmes Licht, es scheint, als strahle sie von innen heraus.

Im Süden von Frankreich: Albi
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Die Altstadt rund um die mächtige Kathedrale im südfranzösischen Albi gehört zum Unesco-Welterbe.

Sainte-Cécile ist ein Meisterwerk der Gotik - aber wer an hoch aufstrebende, fein ziselierte Mauern und Pfeiler denkt, irrt gewaltig. Die Kirche liegt wie ein riesiger Ziegelblock, der vom Himmel gefallen ist, auf der Anhöhe über dem Fluss Tarn. Mit ihrem trutzigen Turm und Fenstern wie Schießscharten wirkt sie wie eine Festung. Die Altstadt rund um das ungewöhnliche Bauwerk wurde in diesem Sommer von der Unesco zum Welterbe erklärt.

Der Farbton des braun gebrannten Gesichts von Philippe Bonnecarrère ähnelt den Ziegeln seiner Stadt, in der er seit 15 Jahren Bürgermeister ist. Die Kathedrale kann ihn noch immer begeistern, als sähe er sie zum ersten Mal. "Es ist ein ganz eigener Stil, das Kirchenschiff ist sehr massiv und trotzdem unheimlich hoch", sagt er und zeigt auf die mächtigen Mauern, die mit wuchtigen Halbsäulen verstärkt und damit bis zu sieben Meter breit sind. "Wegen der starken Mauern kommt die Kirche ohne Strebepfeiler aus, die für gotische Kathedralen sonst typisch sind", erklärt er.

Dass das Gebäude eher wie eine Schutzburg als wie ein Gotteshaus wirkt, hat seinen Grund in der bewegten Geschichte der Region. Sie war Schauplatz eines brutalen Kreuzzugs gegen die fundamentalistische Strömung der Katharer. Die asketisch lebenden Katharer waren ein Stachel im Fleisch der Kirche des Mittelalters, deren Klerus im Luxus schwelgte. Sie betrachteten alles Irdische als Werk des Teufels und zogen viele Gläubige an, die von einer Kirche enttäuscht waren, die Wasser predigte und Wein trank.

Die Kathedrale als Machtdemonstration

Die Katharer werden auch Albigenser genannt, doch das ist eher ein historischer Zufall. In Albi waren sie nicht bedeutender vertreten als an anderen Orten. Insgesamt zählten schätzungsweise zehn Prozent der Bevölkerung zu ihren Anhängern. Papst Innozenz III. rief 1208 zum Krieg gegen die Häretiker auf, die ihm immer gefährlicher erschienen. Die letzte Schlacht fand 1244 auf der Katharerhochburg Montségur statt. Dort starben 200 Anhänger der Fundamentalistensekte in den Flammen.

Der Bau der Kathedrale von Albi, der 1282 begann, symbolisierte den Sieg der Amtskirche über die Katharer - und zugleich das Bedürfnis, sich gegen Feinde jeder Art zu schützen. "Die Botschaft der Kirche war eine doppelte: Wir haben gewonnen. Und wir haben verstanden, was Ihr wolltet", sagt Bonnecarrère. Das massive Gebäude war in erster Linie eine Machtdemonstration. Zugleich zeigte sich die Kirche in einer neuen Nüchternheit, als habe sie die Kritik der Katharer am Ende doch noch angenommen, zumindest für eine Weile.

Erst später legten die Bischöfe wieder mehr Wert auf aufwendige Dekoration. Das angefügte Südportal im Stil der flämischen Gotik wirkt wie ein Spitzentuch in der Brusttasche eines Tarnanzugs. Es bietet zugleich einen Vorgeschmack auf das Innere der Kirche, das in grandiosem Kontrast zum nüchternen Äußeren steht.

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Ein entwurzelter Baum legte vor 70 Jahren im Südwesten Frankreichs den Eingang zu einer steinzeitlichen Höhle frei. Darin fanden sich wunderbare Malereien.

Eine aufwändig gearbeitete hohe Schranke trennt den langen Raum, der weder Quer- noch Seitenschiffe hat, in zwei Teile. Mit seinen fein gearbeiteten Statuen und löchrig-leichten Verzierungen erinnert der Lettner an ein überdimensionales Schatzkästchen. Von hier aus sprach der Priester zu den Gläubigen, denen der Blick auf den Altar durch den Lettner versperrt war.

Porträts der Malerschüler

Das Gewölbe haben italienische Künstler im 16. Jahrhundert ausgemalt. So erhaben die Heiligenfiguren an der Decke scheinen, so sympathisch sind die Porträts der Malerschüler, die sich mit wenigen Strichen in der gemalten Marmorverkleidung an den Wänden verewigt haben. Erschreckend hingegen wirken die Darstellungen der Höllenqualen auf einem gigantischen Fresko im Westteil der Kirche. Hierher wurde im 18. Jahrhundert der Altar verlegt, nachdem sich die Trennung von Klerus und Gläubigen überlebt hatte. Ausgerechnet der Mittelteil mit Jesus als Weltenrichter fehlt allerdings, weil man ein Tor in die Wand geschlagen hat.

"Die Bischöfe konnten sich die aufwendigen Arbeiten leisten, weil sie durch Steuern auf den Pastel-Handel reich geworden waren", erklärt der Bürgermeister. Die Pastelpflanze heißt auf Deutsch Färberwaid und war in ganz Europa zum Blaufärben begehrt. Um sie zu verarbeiten, wurden die Blätter getrocknet und zu faustgroßen Kugeln gepresst. "Die nannte man 'cocagne'", erklärt Bonnecarrère, daher stamme der Ausdruck "pays de cocagne", Schlaraffenland.

Kulinarische Spezialitäten in der Markthalle

Ein Schlaraffenland ist die Region um Albi immer noch, zumindest wenn es um kulinarische Spezialitäten geht. In der Markthalle aus gußeisernen Säulen und zweifarbigen Ziegeln werden sie in Hülle und Fülle angeboten: Taubenpastete, Gänseleber, der berühmte Bohneneintopf Cassoulet, rosafarbener Knoblauch, Ziegenkäse in Form von dicken Talern, dazu herrliches Sommerobst, duftende Melonen, bonbongroße Mirabellen, tiefrote Nektarinen.

Gleich neben der Kathedrale liegt der ebenfalls massiv gebaute Bischofspalast, der "Palais de la Berbie". Es ist eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet hier die Bordellszenen des berühmtesten Sohns der Stadt, des Malers Henri Toulouse-Lautrec (1864-1901), ausgestellt sind. Was für ein Glück für Albi, dass dem Museum für moderne Kunst in Paris das Werk des Künstlers zu gewagt war. Heute befinden sich etwa 1000 Werke von Toulouse-Lautrec in Albi, etwa ein Drittel des Gesamtwerks. Kunstliebhaber aus aller Welt kommen deswegen in die südwestfranzösische Kleinstadt, selbst der japanische Kaiser war schon da.

Toulouse-Lautrec hatte eigentlich ein wunderbares Leben vor sich. Er stammte aus einer Adelsfamilie, die Ländereien und Pferdeställe besaß - auch wenn sein Geburtshaus in der Altstadt relativ unscheinbar wirkt. Allerdings litt Henri an einer Erbkrankheit, da seine Eltern Cousin und Cousine ersten Grades waren. Als Jugendlicher brach er sich beide Oberschenkelknochen und wurde deshalb nicht größer als 1,52 Meter. Mit Reiten und Jagen, den klassischen Vergnügungen seiner Gesellschaftsschicht, war es damit vorbei. Umso anrührender wirken die Pferdebilder, die der 16-Jährige auf die Deckel von Zigarrenkisten malte - sie zeigen eine Welt, an welcher der Kleinwüchsige nicht mehr teilnehmen konnte.

Toulouse-Lautrec lenkte seine ungenutzten Energien in einen ungestümen Mal- und Zeichentrieb. Jeder Untergrund war ihm recht, vom Deckblatt im Latein-Wörterbuch bis zu dickem braunen Packpapier, auf dem er mit wenigen Strichen Mimik und Gestik seiner Modelle einfing. Hintergründe, Landschaften oder makellose Modelle interessierten ihn nicht, er wollte das Leben zeigen, wie es ist. In den Bordellen von Montmartre, damals noch ein Dorf am Stadtrand von Paris, fühlte er sich wie zu Hause. Er teilte mit den Frauen das Gefühl, am Rand der Gesellschaft zu leben - auch wenn seine Familie ihn nie fallen ließ und er nie finanzielle Not litt wie andere Künstler.

Nach einem Museumsbesuch bietet sich ein Spaziergang im Grünen an, etwa am Ufer des Tarn, zu dem ein Serpentinenweg von der Altstadt hinabführt. Man stößt auf einen etwa drei Kilometer langen, naturbelassenen Pfad, die "grüne Flucht", das Reich der Flaneure und Jogger. Auch Bürgermeister Bonnecarrère ist ein passionierter Läufer, er trainiert allerdings lieber auf einer stillgelegten Bahnstrecke.

Keine museale Touristenstadt

Bonnecarrère war es auch, der den Ehrgeiz hatte, Albi auf die Liste der Unesco setzen zu lassen. Die erste Diskussion stieß er bereits nach seinem Amtsantritt Mitte der 90er Jahre an. "Die Idee musste lange reifen", sagt der Politiker im Rückblick. "Wir mussten uns selbst erst klar werden, was an Albi so einzigartig ist und vor allem, wie wir verhindern, dass es eine museale Touristenstadt wird."

Dafür hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan. Viele alte Fachwerkhäuser mit den typischen Trockenböden wurden instand gesetzt, rund um die Kathedrale gibt es nun einen einladenden Platz, um den sich Cafés und Geschäfte gruppieren. Im Sommer findet dort ein "Urban Festival" statt, bei dem Jugendliche auf Geländerädern und Skateboards Kunststücke auf Erdhügeln und Holzrampen vollführen.

Als Albi in diesem Sommer die begehrte Auszeichnung bekam, war der Jubel in der Stadt groß. Mitten in der Nacht läuteten 20 Minuten lang die Glocken der Kathedrale. In den ersten Wochen danach schwoll die Zahl der Touristen um etwa ein Drittel an. "Wir waren immer schon stolz in Albi, aber jetzt sind wir es noch mehr", sagt ein Geschäftsmann. "Wir freuen uns auf alle, die Albi besuchen werden."

Informationen:

Anreise: Der nächstgelegene Flughafen ist Toulouse, der von mehreren Billigfluggesellschaften angeflogen wird. Von dort gibt es einen Bus direkt nach Albi.

Transport: In Albi lässt sich alles zu Fuß machen. Wer die Katharerburgen und die mittelalterlichen Dörfer in der Region erkunden will, kommt um ein Mietauto nicht herum.

Reisezeit: Im Juli und August kann es sehr heiß werden, zahlreiche französische Urlauber besuchen die Region. Vor- und Nachsaison bieten sich eher an.

Unterkunft: In der Altstadt gibt es mehrere einfache, sympathische Hotels. Wer mehr Luxus will, steigt im Hôtel Mercure am anderen Ufer des Tarn ab.

Weitere Informationen: Atout France, Zeppelinallee 37, 60325 Frankfurt (Tel.: 0900/157 00 25 für 49 Cent pro Minute, E-Mail: info.de@franceguide.com).

© Ulrike Koltermann, dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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