Reisebücher zu Saudi-Arabien und Pakistan:Fremde erfahren

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Stephan Orth sucht sich seine Couchsurfing-Gastgeber in Saudi-Arabien. Ein Backpacker-Paar reist durch Pakistan. Beide Länder eint, dass man im Westen wenig von ihnen weiß.

Von Stefan Fischer

Lange Jahrzehnte hat in Saudi-Arabien gegolten, was der erste König Abd al-Aziz ibn Saud noch vor der Staatsgründung 1932 erkannt zu haben glaubte: "Mein Königreich wird nur überleben, wenn es ein schwer zugängliches Land bleibt, wo Ausländer, wenn sie ihre Pflicht erfüllt haben, kein anderes Ziel haben, als unverzüglich auszureisen." Tatsächlich war es für Touristen bis 2019 schwierig, ein Visum zu bekommen. Ausländer durften im Prinzip nur zum Arbeiten ins Land oder um als muslimische Pilger Mekka und andere heilige Stätten des Islam zu besuchen.

Seit der 34-jährige Mohammed bin Salman 2017 von seinem greisen Vater, König Salman, zum Kronprinzen ernannt worden ist und faktisch die Macht im Land ausübt, hat sich allerdings einiges verändert in Saudi-Arabien. Unter anderem wird ein neuer Wirtschaftszweig entwickelt: der Tourismus.

Als der Reisejournalist Stephan Orth im Herbst 2019 online ein Visum beantragt, dauert der Vorgang gerade mal zehn Minuten. Es kommt unmittelbar per Mail, ist für ein Jahr gültig, die Einreiseprozedur am Flughafen ist genauso unkompliziert. Orth, der Abd al-Aziz' Ausspruch seinem Buch "Couchsurfing in Saudi-Arabien" als ironisches Motto voranstellt, ist neugierig auf das Land, gerade weil es "so etwas wie mein persönliches Anti-Utopia" ist.

Die Reise beginnt in der Hauptstadt Riad mit dem Besuch des Elektromusikfestivals "MDL Beast", ein Wortspiel mit dem Begriff Middle East. DJs vom Kaliber David Guetta, Martin Garrix oder Tiësto legen auf, mehr als 100 000 Besucher sind gekommen. Lange waren Livekonzerte verboten in Saudi-Arabien. Das Nachspiel des Events: rund hundert Festnahmen, ein Drittel wegen sexueller Belästigung, zwei Drittel wegen ungehöriger Kleidung.

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Damit ist das Feld abgesteckt: Orth reist durch ein Land, in dem er sich frei bewegen kann und nicht immer, aber häufig einen Couchsurfing-Gastgeber findet; ein Land, das neue Freiheiten ausprobiert, in dem die Menschen extrem gastfreundlich sind und vor allem über die intensiv genutzten sozialen Netzwerke miteinander in Kontakt treten. Das bringt aber viele andere Dinge nicht zum Verschwinden: nicht die fehlende Gleichberechtigung, nicht den verbreiteten Rassismus, nicht die Skrupellosigkeit, mit der der Kronprinz trotz vieler Lockerungen regiert. "Als Reisender muss man aufpassen, solche Dinge nicht aus dem Blick zu verlieren", schreibt Orth, der sich auch bewusst ist, dass ihn als weißen Mann einige schlimme Missstände nicht persönlich betreffen.

Stephan Orth ist mehr an den Menschen als an Sehenswürdigkeiten interessiert. Dennoch wird durch seine Schilderungen das touristische Potenzial des Landes deutlich. Relevanter sind jedoch die Begegnungen, weil Orth, ein reflektierter Beobachter, dadurch viel über die Atmosphäre im Land berichten kann. Jedenfalls wie sie bis zum Beginn der Corona-Pandemie war, die auch ihn gezwungen hat, seine mehrwöchige Reise vorzeitig zu beenden. Er trifft einen Homosexuellen und eine Geschiedene, aber auch Menschen, denen die aktuellen Öffnungen zu weit gehen. Gemeinsam ist allen Gesprächen, dass fast immer eine Barriere bleibe, so Orth. Und wenn die Fassade doch aufbreche, bekomme er etwas zu sehen, das ihn nachdenklich stimme. So oder so kommen spannende Dialoge in Gang.

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Aus westlicher Sicht ebenfalls ein Paria-Staat ist Pakistan. Als Clemens Sehi und Anne Steinbach einreisen, geraten sie am Gepäckband in eine Gruppe Pilger, die aus Mekka zurückkehrt. Die erste Besichtigungstour der beiden gilt der König-Faisal-Moschee in Islamabad - der einstige saudische König hat sie finanziert. Vieles ähnelt sich in den beiden Ländern, mit einer gravierenden Ausnahme: Die Sicherheitslage ist in Pakistan weitaus prekärer. Im Vergleich zu Stephan Orths analytisch-wachen Schilderungen sind die von Sehi und Steinbach in ihrem Buch "Backpacking in Pakistan" gefühliger, auch selbst bezogener. Sie haben ein klares Backpacker-Programm, das Abenteuerliche der Reise steht im Fokus. Begegnungen mit Einheimischen sind willkommen, aber nicht der zentrale Aspekt.

Dennoch vermitteln auch sie ein aufschlussreiches Bild eines Landes und einer Gesellschaft, die der unsrigen sehr fremd ist. Wie Orth begegnen sie den Eindrücken nicht mit moralischer Überlegenheit. Was bei ihnen jedoch kürzer kommt, ist die Reflexion der eigenen Rolle. Sehr selbstverständlich nehmen Sehi und Steinbach etwa Polizeieskorten in Anspruch, um sicher in den Norden reisen zu können. Im Bestreben, angemessene Summen zu bezahlen, sich also weder übervorteilen zu lassen noch von der Armut der Menschen zu profitieren durch Spottpreise, machen sie ebenfalls nicht immer eine gute Figur. Aber auch das ist Teil eines solchen Wagnisses: sich einen Weg zu suchen, auf dem es keine Routinen und wenig Gewissheiten gibt.

Stephan Orth: Couchsurfing in Saudi-Arabien. Meine Reise durch ein Land zwischen Mittelalter und Zukunft. Malik Verlag, München 2021. 256 Seiten, 18 Euro.

Clemens Sehi, Anne Steinbach: Backpacking in Pakistan. Unsere Reise durch ein verborgenes Land. Conbook Verlag, Neuss 2020. 288 Seiten, 14,95 Euro.

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