Piloten sind sie beide, die Fotografen Santiago Borja und Bastian Werner. Und sie haben dieselbe Vorliebe bei den Motiven für ihre Aufnahmen: Wenn es blitzt und hagelt, regnet und stürmt, wenn die Sicht eingeschränkt und das Licht diffus ist - dann drücken sie auf die Auslöser ihrer Kameras.
Sturmpilot nennt sich der eine, Sturmjäger der andere. Beide veröffentlichen sie jeweils aktuell einen Bildband über optisch überwältigende Wetterphänomene, was ein schöner Zufall ist, zumal die beiden Bücher einander ergänzen. Der eine Fotograf, Bastian Werner, hat seine Leidenschaft für Wolken und Nebel zwar entwickelt, als er sich für die Pilotenprüfung intensiv mit Wetterprognosen beschäftigen musste. Als Sturmjäger bleibt er jedoch am Boden; er fährt mit seinem Team im Auto an Orte, die spektakuläre Motive verheißen. Insofern setzt er für den Band "Sturmjäger" vor allem Wetterphänomene in Szene, die für Deutschland charakteristisch sind.
Santiago Borja indessen arbeitet als Pilot für Ecuador Airlines - und fliegt somit rund um die Welt. Er macht, wenn er nicht Dienst hat, aus dem Cockpit heraus seine Aufnahmen, betrachtet Wolkengebilde, Gewitter und Stürme, also aus der Draufsicht, während Werner aus der Untersicht fotografiert.
Beide sind sie Reisende mit flüchtigen Zielen. Und beide nehmen sie dabei Logenplätze ein - wobei Werner viele Kilometer zurücklegen muss und trotz sorgfältiger Vorbereitung immer auch Glück braucht, um zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Als Laie hat man es da von einem Flugzeug aus leichter: Jeder Passagier kann ein Gewitter aus der Luft beobachten, wenn es von der Maschine umflogen wird. Doch ist der Ausblick natürlich eingeschränkt durch die kleinen Seitenfenster. Das gesamte Panorama hat man nur vorne im Cockpit - wo die Crew außerdem mit den aktuellen Wetterdaten versorgt ist, also genauer weiß als die Fluggäste, auf was sie da jeweils gemeinsam zufliegen.
Unwetter entfalten einen immensen optischen Reiz, den man genießen kann, solange man ihren Gefahren nicht unmittelbar ausgesetzt ist. Das gilt zum Beispiel für das Innere eines Flugzeugs. Dennoch beeinträchtigt das Wetter den Flugverkehr massiv - insofern gehören diese Dinge durchaus eng zusammen: das Wetter und das Reisen, die Wetterbeobachtung und die Reisefotografie.
Es sind faszinierende Motive, die Borja und Werner einfangen. Wuchtig, aber auch filigran, teilweise sehr detailreich und in jedem Fall von künstlerischem Ausdruck. "Schwer zu glauben", stellt Santiago Borja seinem zugleich deutsch-, englisch- und französischsprachigen Buch "#The Stormpilot" als Motto voraus, "dass alles, was man hier sieht, ausschließlich Wasser und Licht ist."
Die Leidenschaft von Borja und Werner teilen auch viele Meteorologen. Zu "Sturmjäger" hat Jörg Kachelmann ein Vorwort verfasst, in dem er vehement an die Leser appelliert, den Blick viel öfter nach oben zu richten in Richtung Himmel anstatt unentwegt auf die Bildschirme ihrer Kommunikationsgeräte. Betrachtet man Bastian Werners Bilder, wird rasch klar, dass sie spannender sind als vieles, was einem die Smartphones den lieben langen Tag vor Augen führen. Santiago Borjas Fotografien sind sogar noch spektakulärer, weil ungewöhnlicher. Aus der Luft beobachten die meisten Menschen Wetterphänomene in der Regel viel seltener als vom Boden aus.
In "#The Stormpilot" erklärt Michaela Koschak, auch sie eine fernseherfahrene Meteorologin, die überdies Kinderbücher zum Thema schreibt, extrem anschaulich und verständlich, wie bestimmte Wetterphänomene zustande kommen. Bastian Werners Buch ist in dieser Hinsicht etwas sperriger; aber auch Werner schildert ausführlich, was man jeweils auf den Fotografien sieht. In beiden Büchern gesellt sich zum Staunen auch Erkenntnis.
Doch die Fotografien können auch für sich bestehen. Vieles erkennt man als Laie auf ihnen, und anders als in freier Natur, wo sich die Dinge rasch ändern und man womöglich vor allem damit beschäftigt ist, sich vor Hagel, Blitzen, starkem Wind und Regen in Sicherheit zu bringen, hat man hier die Möglichkeit, in die eingefrorenen Momente einzutauchen. Sie sind übrigens gar nicht so selten: Durchschnittlich sind stets zwei Drittel der Erdoberfläche von Wolken bedeckt.
Santiago Borja : #The Stormpilot. Verlag Te-Neues, Kempen 2018. 160 Seiten, 30 Euro.
Bastian Werner : Sturmjäger. Wetterextremen in Deutschland auf der Spur. Frederking & Thaler Verlag, München 2018. 192 Seiten, 39,99 Euro.