Er ist so weich, so wuschelig. Ein pummeliger, flaumiger Ball, nicht ganz rund, eher eiförmig, und die beiden Beine sitzen nicht in der Mitte, sondern eher hinten, sodass es scheint, als sei er ständig in Gefahr, vornüber zu kippen. Wenn er so über den Waldboden stakst, dann ruckt sein Kopf - ein kleiner Kopf im Verhältnis zu dem etwas plumpen Körper - rhythmisch nach vorn, wie bei einem Huhn.
Aber mit einem Huhn würde ihn niemand verwechseln, schon wegen des langen, etwas nach unten gekrümmten Schnabels. Mit dem gräbt er Löcher in den Boden, um Würmer, Larven, Schnecken und Spinnen aufzustöbern. Es heißt, er könne nicht besonders gut sehen, aber dafür umso besser riechen. Andere Vögel haben ihre Riechöffnungen (wer würde bei einem Vogel von Nasenlöchern sprechen?) am Schnabelansatz, aber er hat sie ganz vorn, an der Schnabelspitze.
Wirklich ein komischer Vogel. Überhaupt: Vogel? Wo sind denn die Flügel? Die muss man richtig suchen, unter dem Flaum. Winzig sind sie, vier bis fünf Zentimeter lang, bei einem Körpergewicht zwischen einem und fünf Kilo. Fliegen? Kein Gedanke.
Er gehört zur Ordnung der Laufvögel, der Struthioniformes, und um ein paar Ecken ist er verwandt mit den größten Vögeln der Welt, dem afrikanischen Strauß, dem australischen Emu, dem südamerikanischen Nandu. Seltsamer Gedanke, dass ein Land sich ihn als Nationalsymbol gewählt hat. Er hat so gar nichts Kühnes und Heroisches an sich wie die anderen Nationalsymbole oder Wappentiere dieser Welt, wie der Adler, der Löwe oder der Bär. Aber die Neuseeländer lieben ihn.
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Die Kiwis lieben den Kiwi, obwohl die wenigsten von ihnen je einen in freier Wildbahn gesehen haben. Denn die Kiwis sind nachtaktiv. Erst in der Dunkelheit machen sie sich auf Nahrungssuche, nur nachts hört man in den Wäldern ihr keuchendes Pfeifen. Wenn der Morgen dämmert, verschwinden sie wieder in ihren unterirdischen Höhlen.
Aber der Kiwi ist in Gefahr.
Bis die ersten Menschen nach Neuseeland kamen, gab es dort, abgesehen von zwei Fledermausarten, keine Landsäugetiere. Deshalb konnten auch flugunfähige Vögel wie der Kiwi überleben. Aber schon mit den ersten polynesischen Siedlern kamen Ratten nach Aotearoa, das Land der langen, weißen Wolke, und als sich im Gefolge des britischen Weltumseglers James Cook immer mehr Europäer auf der Nord- und der Südinsel niederließen, brachten sie Hunde und Katzen mit.
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Als gefährlichste Bedrohung für den Kiwi und für andere Vögel in Neuseeland erwies sich indes das Possum. Eigentlich ein ganz niedliches Tier, ein Beuteltier, das wie das Känguru seine Jungen in einer Felltasche am Bauch austrägt. Seine Heimat ist Australien. Im Jahr 1837 wurde das Possum nach Neuseeland gebracht, um den Pelzhandel anzukurbeln. Das Possum hat ein seidenweiches Fell; wer einmal Handschuhe aus Possumwolle getragen hat, will keine anderen mehr.
Aber in Neuseeland, wo sie keine natürlichen Feinde hatten, vermehrten sich die etwa waschbärgroßen Tiere mit dem langen, buschigen Schwanz wie die sprichwörtlichen Kaninchen. Heute sollen es mehr als 30 Millionen sein - mehr als sieben pro Kopf der Bevölkerung.
Sie fressen, was ihnen in den Weg kommt. Sie entlauben ganze Wälder, aber sie verschmähen auch nicht Schnecken, Würmer und Insekten, die Hauptnahrung der Kiwis. Sie plündern die Nester der Kiwis (kein Vogel legt, gemessen an seiner Körpergröße, größere Eier als der Kiwi), und machen sich auch über Jungvögel her, die schon wenige Tage nach dem Schlüpfen die Wohnhöhlen der Eltern verlassen.
Es dauerte lange, bis die Regierung auf die Possum-Plage reagierte. Erst in den 1940-er Jahren wurden die von den Possums angerichteten Schäden wissenschaftlich untersucht. Aber da ließ sich die explosionsartige Vermehrung der Beuteltiere kaum noch bremsen. Die Lebensräume der Kiwis, die früher, mit Ausnahme der Hochgebirgsregionen, in ganz Neuseeland heimisch waren, wurden immer kleiner.
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Schließlich erklärte die Regierung den Possums den Krieg. Schon im Kindergarten lernen die kleinen Kiwis ein Lied über das Possum, "the greedy pest", den "gefräßigen Schädling". Wenn ein Autofahrer nachts auf einer Straße ein Possum sieht, bekommt er ein mörderisches Glitzern in den Augen und hält voll drauf. Mit vier Meter hohen, tief in die Erde eingegrabenen Zäunen versucht man, wenigstens einige wichtige Lebensräume der Kiwis possumfrei zu machen, aber irgendwo finden die schlauen Tiere immer ein Schlupfloch. Erfinderische Naturschützer haben automatische Fallen konstruiert, in denen sich nur Possums, nicht aber die bedrohten Vögel selbst fangen können. Es geht ja nicht nur um den Kiwi.
Auch andere, nur in Neuseeland heimische Vogelarten sind durch die maßlose Vermehrung des Possums akut bedroht: Der Kakapo, eine große Papageienart, der Kokako, ein Singvogel mit leuchtend blauen Kehllappen, und der kleine Gelbaugenpinguin, der nur noch im äußersten Südosten der Südinsel Neuseelands anzutreffen ist.