Es ist kein Scherz: Auf dem weltbekannten Kolosseum in Rom wachsen Kapern. "Diese capperi sind besser als die aus Sizilien", schwärmt Bruno, ein 62-jähriger Maler und in Rom geboren. Als siebtes von neun Kindern hat er schon früh lernen müssen, wo er sich in der Not günstig etwas Essbares besorgen kann. "Jeder weiß hier Bescheid über Feigen und Pflaumen aus dem Park der Villa Pamphili und eben auch über die Kapern vom Kolosseum." Doch was dem Römer als kulinarischer Geheimtipp gilt, macht anderen den fortschreitenden Verfall eines der schönsten Wahrzeichen der Ewigen Stadt erschreckend deutlich. Eine geplante Restaurierung ist von Gerichtsverfahren blockiert.
"Was für ein Duft - doch was für ein Schaden", kommentierte kürzlich das römische Lokalblatt Il Messaggero das Unkraut, das auf dem wohl größten Amphitheater der Antike wuchert. Reinigungstrupps entfernten die Kräuter auf dem Amphitheatrum Flavium "regelmäßig", versichert die zuständige Archäologiebehörde. Doch Maler Bruno schwärmt: "Manchmal riecht man den Kapernduft bis nach San Lorenzo." Er lebt mit seiner Frau schon lange in Roms dörflichem Studentenviertel, das immerhin fast drei Kilometer vom Kolosseum entfernt liegt. Der Duft ist also kein gutes Zeichen.
Tatsächlich steht es schlecht um das römische Prachtbauwerk. Das Kolosseum - Anlaufpunkt für jährlich etwa fünf Millionen Touristen aus aller Welt - ist marode, verdreckt und dem Besucheransturm von seiner Infrastruktur her schon lange nicht mehr gewachsen. Der ungewöhnlich kalte Winter setzte dem Monument zusätzlich zu.
Eis und Schnee bewirkten, dass kleinere Mauerteile vom oberen Rand des ehemaligen Amphitheaters herunterfielen. Dabei hätte jetzt alles schon ganz anders sein können.
Im Januar 2011 hatte sich nach jahrelanger Suche endlich ein privater Sponsor für die Restaurierung gefunden. 25 Millionen Euro stellte der italienische Eigentümer des Luxuswarenherstellers Tod's, Diego della Valle, für die Instandsetzung des Kolosseums bereit. Geplant sind unter anderem die Einrichtung eines Service-Zentrums am Konstantinbogen - Eintritt, Bookshop und sanitäre Anlagen inklusive - sowie die dringend notwendige chemiefreie Reinigung und Restaurierung.
Bei rund 21.000 Quadratmetern maroder Fassadenoberfläche soll das Projekt etwa zwei bis drei Jahre dauern, ohne dass dabei das Monument für Besucher geschlossen wird. Bisher ist von alldem jedoch keine Spur zu sehen.
Italiens Archäologen-Verband versichert, dass die durch Unkraut, Witterung und Alter verursachten mehr als 3000 Risse mit Spezialkameras rund um die Uhr beobachtet würden. Andere Experten betonen, das Kolosseum sei "fortunato", da es im Gegensatz zu den zerfallenden Ruinen von Pompeji oder der Hadriansvilla in Tivoli bei Rom bereits einen privaten Sponsor gefunden habe.
Denn dass dem krisengebeutelten Italien Geld für seine Kunstschätze fehlt, ist nicht neu. Doch Gerichtsverfahren machten bisher dem Start jedweder Restaurierungsarbeiten am Kolosseum den Garaus.
So wehrte sich die Verbraucherschutzorganisation Codacons schon Ende vergangenen Jahres gerichtlich gegen die Vergabe des Sponsorenvertrages. Stein des Anstoßes ist unter anderem, dass Della Valle im Gegenzug für die Investitionen am Kolosseum für seine Produkte werben darf. Anfang Juli wies das Verwaltungsgericht der Region Latium in zweiter Instanz die Vorwürfe der Unregelmäßigkeit und mangelnden Transparenz bei der Vertragsvergabe zwar zurück. Doch droht neuer Ärger. Blick vom Kolosseum
Die Verbraucherschützer wollen notfalls vors Verfassungsgericht ziehen, während der Unternehmer und Schuhkönig eine Klage wegen Imageschadens androhte. Die zuständigen Behörden harren unterdessen der Dinge. "Wir wissen weder etwas über den Beginn der Restaurierung, noch ob Diego della Valle nun sein Geld freigegeben hat", ist die beunruhigende Antwort der Sonderbehörde für Archäologische Kunstschätze. Ob die Restaurierung noch im Lauf des Sommers oder des Jahres geschehen wird, bleibt völlig unklar. Aber so wie es aussieht, wird der Maler Bruno noch einige Zeit mit Kapern vom Kolosseum kochen.