Kolumne: Hin und weg:Surfen am Gipfel

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Tansanias Informationsminister Nape Nnauye (r.) weiht das Highspeed-Internet auf dem Kilimandscharo ein. (Foto: Peter Nyanje/dpa)

Endlich hat man etwas davon, den Kilimandscharo zu besteigen.

Glosse von Stefan Fischer

Wenn der Bergsteiger Reinhold Messner geahnt hätte, in welcher Zeit wir heute leben. Er hätte sich damals nicht nach ein paar Minuten wieder besänftigen lassen. Messner ist nämlich einmal ziemlich ausgeflippt im deutschen Fernsehen. In den späten Achtzigerjahren war das. Er hat sogar damit gedroht, fortan keine Bücher mehr zu schreiben und das Bergsteigen aufzugeben. Jedenfalls am Matterhorn.

Denn er hatte für bare Münze genommen, was nur ein Scherz war. Für die Sendung "Verstehen Sie Spaß?", in der Menschen, auch prominente, hinters Licht geführt und dabei heimlich gefilmt wurden, hatte man knapp unterhalb des Matterhorn-Gipfels einen Kiosk aufgebaut, in dem angeboten wurde, was man in einem Kiosk eben so verkauft: Zeitungen und Zeitschriften, Süßigkeiten, Souvenirs. Sogar Bücher von Messner waren im Sortiment.

"Was ist denn das?", fragte der verdutzte Messner, als er auf mehr als 4000 Metern Höhe den Kiosk erblickt hatte. Schnell redete er sich in Rage, zeterte über den ganzen Plunder, der nicht hierhergehöre, wie überhaupt der ganze Kiosk nicht hierhergehöre und auch der Mensch in dem Kiosk nicht. Beim Bürgermeister von Zermatt werde er sich beschweren, kündigte Messner an. Und natürlich brauche er die aktuelle Ausgabe der Bunten nicht.

"Hast Telefon auch da?", fragte Messner irgendwann den vermeintlichen Kioskbetreiber. Womöglich in der Hoffnung, den Bürgermeister gleich vom Berg aus anrufen zu können. "Telefon haben wir nicht", war die Antwort. Immerhin, meint man in Messners Gesicht lesen zu können, wenn man sich die Szene heute noch einmal anschaut. Obwohl er in dem Moment wahrscheinlich doch ganz gerne diesen einen Beschwerdeanruf geführt hätte.

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Gut drei Jahrzehnte später hat sich die Lage indes in ihr Gegenteil verkehrt, und man mag es gar nicht mehr glauben, wenn man in den Bergen ausnahmsweise einmal nicht telefonieren kann. Oder, beinahe noch schlimmer, nicht einmal in einer der längst üblichen degenerierten Formen kommunizieren kann, also chatten, posten, liken. Man flucht dann irgendwas von Steinzeit und Hinterwäldlern.

Und kann sich seit Neuestem sogar, wenn man irgendwo in den Alpen durch ein Funkloch wandert und auch mit dem Internet nicht verbunden ist, in seiner Borniertheit darüber echauffieren, dass "sie das inzwischen selbst in Afrika hinkriegen". Denn im Kilimandscharo-Massiv gibt es jetzt Highspeed-Internet. Selbst in den Gipfelregionen, die noch einmal bis zu eineinhalbtausend Meter höher liegen als die Spitze des Matterhorns.

Die Verantwortlichen in Tansania haben verstanden, dass Touristen gutes Essen schätzen und tolle Strände, einmalige Baudenkmäler und atemberaubende Natur. Aber eben nur, wenn es dazu Wlan gibt. Die Welt ist, was ich sehe, dieser Spruch gilt längst nicht mehr. Heute heißt die Regel: Die Welt ist, was ich auf Instagram sehe.

Und weil Tansania wirtschaftlich stark vom Tourismus abhängt, muss dieser nach der Corona-Flaute dringend wieder angekurbelt werden. In den sozialen Netzwerken sollen sich künftig viele Bilder von stolzen Touristen verbreiten, die in diesem Moment ganz oben auf dem Kilimandscharo stehen. Und diese Bilder werden weitere Besucher auf den Berg locken, die neue Bilder machen und immer so weiter. Mag das Eis der letzten Gletscher dort irgendwann geschmolzen sein: Wichtig ist heute nur noch, dass es Schneeballeffekte gibt. Digitale natürlich.

Stefan Fischer ist kein Freund von Heldenverehrung. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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