Ein Paar in Schlittschuhen. Im Scheinwerferlicht wirbelt es über das Eis, sie dreht sich, er hebt sie, Wolken von künstlich erzeugtem Schnee rieseln auf die beiden herab. Die Zuschauer applaudieren, was auch normal ist, wenn man zwei früheren Olympia-Teilnehmern zusehen kann. Weniger normal ist, wo die beiden über das Eis gleiten. In einem heruntergekühlten Theater auf einem Kreuzfahrtschiff nämlich, das zwischen Málaga und Barcelona unterwegs ist. Eiskunstlauf auf dem Mittelmeer.
Es ist allerdings auch nicht irgendein Schiff. Sondern eines, auf dem fast 9000 Menschen, davon mehr als 2000 Besatzungsmitglieder, Platz haben, 362 Meter lang, 16 Stockwerke hoch: das größte Kreuzfahrtschiff der Welt.
Der Hafen von Barcelona. Das größte Kreuzfahrtschiff der Welt sieht man nicht sofort, was nicht nur an seiner Farbe liegt. Unscheinbares Grau-Weiß von oben bis unten. Sondern auch daran, dass die Symphony of the Seas fast genauso aussieht wie die Hafengebäude rundherum, hoch und kastenförmig. Steht man schließlich davor und blickt hoch zu den vielen Etagen mit den immer gleichen Balkonen und Fenstern, fragt man sich als Erstes, wie sich ein solches Schiff über Wasser hält. Und man fragt sich, warum Leute in einem Fahrzeug von der Dimension eines Wohnblocks Urlaub machen sollten. Diese Frage zumindest lässt sich schnell beantworten: Die Menschen wollen das und zwar genau so.
Die Kreuzfahrt boomt wie nie zuvor. Urlaub auf dem Schiff ist zum Mainstream-Vergnügen geworden, überall auf der Welt. Jedes Jahr werden neue Rekorde geschrieben. 27 Millionen Menschen machten 2017 eine Kreuzfahrt, zehn Millionen mehr als noch ein Jahrzehnt zuvor, davon kommen 2,2 Millionen allein aus Deutschland.
Die großen Reedereien wetteifern darum, wer mehr Schiffe zu Wasser lassen kann, die Werften kommen kaum noch mit dem Bauen nach. Zu dem Boom gehört auch, dass die Schiffe immer größer werden, immer mehr bieten müssen. Bis sie irgendwann eine schwimmende Kleinstadt sind. Mit allem, was dazugehört, Kinos, Theatern, Spielhallen, Reisebüros, Schwimmbädern, Fastfoodrestaurants, Kinderbetreuung, mit einem Krankenhaus und einem Vergnügungspark. Und eben einer ganzen Eishalle. Nach dem Überschreiten der Gangway hat man nicht mehr das Gefühl, auf einem Schiff zu sein. Sondern in einer Art nachgebautem öffentlichen Raum.
Der sieht mal aus wie eine Fußgängerzone, mit Straßenlaternen, Bäumen und Parkbänken. Mal wie ein Einkaufszentrum, mit Klamotten- und Schmuckläden und einer Filiale von Starbucks. Mal wie ein Weihnachtsmarkt, mit Marktständen und einem altmodischen Karussell mittendrin. Und immer wieder blickt man auf Reihen von Fenstern und Balkonen - die Kabinen, die nach innen ausgerichtet sind und dem Ganzen zusätzlich etwas künstlich Urbanes verleihen.
Wenn man das Meer sehen will, muss man in einen der gläsernen Aufzüge steigen, die hoch und runter sirren wie in einer Konzernzentrale, und 16 Stockwerke bis an Deck fahren. Urlaub bedeutet ja oft, irgendwo hinzukommen und es dann genauso zu haben wie zu Hause. Auf dem größten Kreuzfahrtschiff der Welt findet man sich in der unbekannten amerikanischen Kleinstadt wieder, aus der ein Großteil der Passagiere auch anreist - das Schiff gehört einer amerikanischen Reederei, Royal Caribbean.
Noch riecht es überall nach Farbe und Möbeln, die man gerade aus ihrer Kunststofffolie geholt hat. Die Symphony of the Seas ist erst vor einigen Wochen vom Stapel einer Werft im französischen Saint-Nazaire gelaufen, dieser Tage wird sie auf ihrer Jungfernfahrt im Mittelmeer unterwegs sein. Davor fährt sie aber noch testweise die spanische Küste entlang. Mit an Bord ist Michael Bayley, der Präsident von Royal Caribbean. Die Reederei gehört zu den großen Playern in der Kreuzfahrt; sie hat ihre Schiffe inzwischen überall, in der Karibik, im Mittelmeer, in China.
Bayley setzt sich auf einen Stuhl auf der Eisfläche, um sich den Fragen von Journalisten zu stellen. Doch erst erzählt er, wie das Anfang der Achtzigerjahre war, als Royal Carribean ein Schiff für 1600 Leute herausbrachte. Damals sagten alle: viel zu groß, mit so etwas will niemand fahren. "Tja", sagt Bayley. Wenn es nach ihm geht, ist die Spitze allerdings noch lange nicht erreicht. Er will die Millennials an Bord holen und die Chinesen.
Bayley friert ziemlich in seinem T-Shirt auf dem Eis, will aber trotzdem bleiben, wo er ist. Eis und Ozeankreuzer, das mag, historisch betrachtet, eine zweifelhafte Kombination gewesen sein. Inzwischen ist es ein Symbol dafür, was in der Kreuzfahrt alles üblich ist. Wie weit man gehen will, was man den Leuten bieten muss.