Galapagos:Reise ins Archipel der Tölpel

Lesezeit: 4 min

Trotz der Tankerhavarie vor einem Jahr blieb das Tierparadies von einer Ölpest verschont, glaubt man

Bernd Oswald

(SZ vom 15.01.2002) - Auf den ersten Blick sehen die drei Maskentölpel, die sich auf zwei Lavabrocken gegenüberstehen, ganz friedfertig aus. Das einzelne Männchen nähert sich den beiden Artgenossen. Es will um das Weibchen werben. Nun gilt es den Eindringling zu vertreiben. Denn drei sind auch bei den Maskentölpeln einer zuviel. Als finale Warnung schlägt der Hausherr wild mit den Flügeln. Als auch diese Drohgebärde den Rivalen nicht vertreibt, eröffnet der Bräutigam das Schnabel-Duell: Beide Männchen hacken aufeinander ein, die orangenen Schnäbel stechen wie Nadeln in den Leib des Gegners. Das blütenweiße Gefieder des werbenden Tölpels wird nun von Blutflecken verunstaltet. Erst jetzt gibt er auf und fliegt unter dem erregten Geschnatter des Weibchens davon.

Die Strände den Seelöwen! Noch immer sind den Touristen die Tiere auf Galapagos heilig. Man gönnt ihnen das Sonnebad am Strand und sich selbst die Yacht in der Bucht. (Foto: Alle Fotos: Bernd Oswald)

Keine Angst vor Menschen

Die Bühne dieses Naturschauspiels sind die Galápagos-Inseln, die sich wie kein anderer Ort auf der Welt eignen, Tiere aus nächster Nähe zu betrachten. Die Seelöwen, Land- und Meerleguane, sowie Hunderte von Vogelarten kennen ihren Lebensraum perfekt, aber eines kennen sie nicht: Scheu vor dem Menschen.

Vier bis fünf Millionen Jahre waren die verschiedenen Tiergattungen unter sich, nachdem Unterwasservulkane ausgebrochen waren und für eine Insellandschaft gesorgt hatten, von der die Menschheit bis zum Jahr 1535 gar nichts wusste.

1000 Kilometer westlich des ecuadorianischen Festlands konnten sich Säugetiere, Vögel, Reptilien und Fische entwickeln, ohne dass ihnen je ein Mensch begegnet wäre. Seit Charles Darwin 1835 seinen Aufenthalt auf dem Archipel nutzte, um seine Evolutionstheorie zu entwerfen, wissen die Menschen, wie einzigartig Galápagos ist. Sie haben sich in der Folge bemüht, die Inseln unangetastet und ihre Bewohner in Ruhe zu lassen. Deswegen nehmen die Tiere den Menschen auch nicht als Bedrohung oder gar als Feind wahr.

70000 Liter schwarzes Pazifik-Öl

Auf diesen Inseln haben die Tiere nur einen natürlichen Feind, den Galápagosfalken. Deswegen leben Tölpel, Flamingos, Seelöwen, Schildkröten und Pinguine friedlich nebeneinander. Lavaechsen krabbeln unbehelligt über die Köpfe von Landleguanen, und mittendrin findet sich immer mal wieder ein Seelöwe, der am Wegesrand oder im Gebüsch fläzt.

Vor einem Jahr wurde dieser Friede gestört: Am 16.Januar 2001 lief der Tanker Jessica, der die Galápagos-Gewässer gar nicht hätte ansteuern dürfen, auf eine Sandbank auf und brach entzwei. 70 0000 Liter Öl flossen in den Pazifik und kontaminierten die Strände der Galápagos-Inseln San Cristobal, Santa Cruz und Santa Fe. Schreckensszenarien wurden durchgespielt, wonach möglicherweise Hunderte von Seelöwen, Pelikanen, Meerleguanen und Krabben, von Öl verklebt, verenden würden. Doch es kam nicht so schlimm: Günstige Winde und Strömungen trieben den Ölteppich aufs offene Meer zurück. Die starke Sonneneinstrahlung ließ einen Teil des Öls verdunsten. So wurden weitere Küsten von dem schwarzen Gift verschont.

Mit hingebungsvollem Einsatz gelang es einer Koalition aus Mitarbeitern des Nationalparks, der Charles Darwin-Forschungsstation und über 200 Freiwilligen, in wochenlanger Knochenarbeit rund 370 Tiere fast aller Arten von der Ölschlacke zu befreien.

Dabei mussten die Helfer nicht nur mit dem Öl kämpfen, sondern auch mit den Seelöwen, die sich gegen die Behandlung wehrten, indem sie beherzt zubissen", schildert Paola Diaz von der Darwin-Station die für beide Seiten schmerzvolle Reinigungsprozedur. Diesem Kraftakt ist es zu verdanken, dass am Ende nur sechs Tiere umgekommen sind.

Nicht messbar ist hingegen, wie viele Meereslebewesen Schäden davon getragen haben. Über die Langzeitfolgen in dem empfindlichen Ökosystem weiß man ein Jahr nach dem Unglück noch wenig. "Wir gehen davon aus, dass das ausgelaufene Öl keinen dauerhaften Schaden angerichtet hat", sagt Parksprecher Fabian Oviedo.

Seit dem Unglück nimmt die Darwin-Station vor Santa Fe und vor Santa Cruz Wasserproben, um zu sehen, ob es noch irgendwo Ölrückstände gibt. Außerdem vergleichen die Wissenschaftler Tiere, die von der Ölverschmutzung betroffen waren, mit Tieren, die dem Öl entkommen sind, um zu erforschen, inwieweit sich die Kontamination auf Verhalten, Gesundheit und Zeugungsfähigkeit ausgewirkt hat.

Umstieg auf erneuerbare Energien

Die Touristen bekamen von dem Unglück nichts mit: "Unsere Gäste haben nie einen Ölteppich oder ein verschmutztes Tier gesehen", sagt der Galápagosführer Ephrain Zambrano. Das Schiff, auf dem er arbeitet, hat seine Route nach dem Unglück auch nicht ändern müssen. Heute erinnert nur noch das Wrack der Jessica an das Unglück. Deren Bug ragt vor der Küste von San Cristobal wie ein mahnender Zeigefinger aus dem Wasser.

Aufgeschreckt von dem Tankerunfall, arbeitet der World Wide Fund for Nature (WWF) an einem Energiekonzept, das die Galápagosinseln innerhalb von zehn Jahren weitgehend auf erneuerbare Energien umstellen soll. Diesel- und Schweröl sollen durch synthetisches Diesel ersetzt werden, der biologisch abbaubar ist.

Wie das Tankerproblem ist auch die Bedrohung mancher der nur auf Galápagos heimischen Arten hausgemacht: Mit den Menschen kamen im Laufe der Jahre auch Tiere auf die Insel, die hier nicht hingehören. Das Resultat: Esel zertrampeln Nester, Ratten fressen Eier und zahllose Ziegen weiden so ausgiebig, dass für so manche Schildkröte zu wenig Futter übrig bleibt. Inzwischen geht die Parkverwaltung gegen die Ratten- und Ziegenplage vor und hat damit begonnen, diese Tiere auszurotten. So makaber es klingt: Nur der Tod der inselfremden Tiere sichert das Überleben der einheimischen Arten.

500 Tierarten auf dem "Archipelago de Colon"

Obwohl jedes Jahr mehr als 60 000 Menschen die Inseln besuchen, schadet der Tourismus der Tierwelt nicht - wenn er verantwortungsvoll über die Bühne geht. Deshalb dürfen die Inseln nur mit einem Naturführer auf speziell ausgewiesenen Pfaden betreten werden. Tabu ist es, die Tiere anzufassen.

Der Naturreichtum auf dem "Archipelago de Colon" ist so groß wie auf kaum einem anderen Flecken der Erde. Um die 5000 Arten sind auf den 7882 Quadratkilometern der Inseln beheimatet - 40 Prozent davon endemisch. Da zwischen den Inseln jeweils mehrere Kilometer liegen, sind die Arten über Millionen von Jahren unter sich geblieben und haben sich an die jeweils unterschiedlichen Lebensbedingungen angepasst.

Am eindrucksvollsten ist das bei den Schildkröten zu beobachten. Auf jeder der 14 größeren Inseln hat sich eine eigene Art entwickelt. Zwei davon sind ausgestorben, eine dritte so gut wie: Von der Pinta-Schildkröte gibt es nur noch ein einziges lebendes Exemplar. "Lonesome George" fristet sein Dasein nun im Schildkröten-Zentrum der Darwin-Station. Die Forscher haben schon versucht, George mit anderen Arten zu kreuzen, doch die zwischen 70 und 80 Jahren alte Schildkröte machte nicht mit. 10 000 amerikanische Dollar sind ausgelobt für denjenigen, der ein weibliches Pinta-Exemplar auftreiben kann. Noch ist nicht alles zu spät, denn die Galápagos-Schildkröten, denen die Inseln ihren Namen verdanken, können es auf bis auf 150 Lebensjahre bringen.

Die Naturschützer bemühen sich nach Kräften, dieses vielleicht letzte, nahezu unberührte Reich der Tiere zu erhalten. Deswegen hat Ecuador die Galápagos-Inseln 1959 zum Nationalpark erklärt. Die Unesco hat das Archipel 1979 in das Weltnaturerbe aufgenommen, zu dem seit dem 14. Dezember 2001 auch die Gewässer zählen, die die Inseln umgeben.

© sde - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: