Wer innerhalb Deutschlands ohne Auto verreisen will, hat die Wahl. Die Strecke von München nach Frankfurt kann man mit der Bahn in drei Stunden 22 Minuten zurücklegen. Das Flugzeug wäre zwar schneller, allerdings liegen die Flughäfen in Frankfurt und München weit entfernt vom Stadtzentrum. Für An- und Abfahrt würde also weitere Zeit anfallen, genauso wie fürs Einchecken.
Trotzdem gibt es immer noch viele, die sich auf dieser Strecke lieber in den Jet als in die Bahn setzen - genau wie auf anderen Inlandsstrecken: Insgesamt 24 Millionen Mal sind Menschen 2011 innerhalb Deutschlands geflogen. Für Michael Ziesak, Bundeschef des ökologisch orientierten Verkehrsclubs Deutschland (VCD), ist das nicht nachvollziehbar. Nicht mal der Preis spreche fürs Fliegen. Auf den zehn Strecken mit den höchsten Fluggastzahlen sei die Bahn fast immer billiger. Das ist das Ergebnis des Bahntests 2012 des VCD. Das Hamburger Quotas-Institut untersuchte 270 Reiseverbindungen. Dabei wurden drei Reisearten unterschieden: die eintägige Geschäftsreise (morgens hin, abends zurück), den Wochenendurlaub für zwei Personen sowie die zweiwöchige Urlaubsreise für eine Familie mit zwei Kindern. Zudem wählten die Forscher vier Buchungszeiten: einen Tag vor der Reise, eine Woche vorher, vier Wochen vorher und drei Monate vorher. Das Ergebnis insgesamt: In 91,5 Prozent der untersuchten Fälle ist die Reise mit der Bahn günstiger. "Wir waren von dem Ergebnis sehr überrascht", so Ziesak. Der "Mythos vom Billigflieger" sei damit widerlegt. Und das, obwohl man bei dem Test viele Kostenfaktoren außer Acht gelassen habe, die im Zweifelsfall den Vorteil der Bahn sogar noch stärker zum Ausdruck gebracht hätten.
So habe man bei den Preisen für die Zugtickets keine Bahncard berücksichtigt, obwohl sehr viele Bahnreisende eine besäßen. Zudem habe man immer die Kosten für eine Platzreservierung dazugerechnet, "weil man ja im Flugzeug auch einen garantierten Platz hat und nur dann das Ergebnis wirklich vergleichbar ist", sagt Ziesak. Die Preise seien über das Internetportal www.bahn.de abgefragt worden.
Bei den Flugtickets dagegen habe man darauf verzichtet, die meist höheren Kosten für An- und Abfahrt zum Flughafen dazuzurechnen. "Dann hätte das Flugzeug allerdings nur noch schlechter abgeschnitten", so der VCD-Vorsitzende. Die Preise für die Flugtickets wurden über das Internetportal www.billigflieger.de ermittelt. Es wird oft genutzt und schneidet bei der Stiftung Warentest am besten ab. Die dort ermittelten Preise seien mit den Preisen auf den Internetseiten der Flugfirmen selbst verglichen worden. Das jeweils günstigere Ticket wurde der Studie zugrundelegt.
Eines der Ergebnisse, das den VCD am meisten verblüffte: Obwohl es bei der Bahn im Fernverkehr einen Tag vor Reiseantritt keine Sparpreise mehr gibt, ist auch das kurzfristig gebuchte Ticket deutlich günstiger als der Flug. Bei einer Spontanbuchung einen Tag vor der Abreise kann der Bahnfahrer sogar im Vergleich zum Flugreisenden am meisten sparen: bis zu 171 Euro pro Person. "Trotzdem sollte man seine Reise natürlich so früh wie möglich buchen", sagt Ziesak. "Dann spart man zwar vielleicht gegenüber dem Flugticket keine 171 Euro, dafür aber ist das Zugticket generell billiger, wenn man noch einen Sparpreis erhält."
Der Bundesverband der deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) sieht die eigene Position durch das Testergebnis bestätigt. Das "Vorurteil des Billigfliegers" sei damit widerlegt, sagt BDL-Präsident Klaus-Peter Siegloch. "Wir können die Bahnpreise schon allein aufgrund der Luftverkehrsteuer nur schwer unterbieten. Der entscheidende Vorteil des Fliegens bleibt aber für Geschäftsreisende wie Privatleute bestehen: Mit dem Flugzeug kommen sie schneller ans Ziel."
Bereits seit elf Jahren testet der VCD die Bahn, jeweils mit einem anderen Schwerpunkt. Während 2011 die Qualität des Fernverkehrs im Fokus stand, ging es in diesem Jahr darum, was billiger ist: Bahnfahren oder Fliegen. Die Studien kosten den Verband nach eigenen Angaben im Schnitt 25 000 Euro. VCD-Bahnexpertin Heidi Tischmann betont, dass man für die Untersuchungen keinerlei Geld von der Bahn erhalte. "Das würden wir auch gar nicht annehmen, weil das unsere Glaubwürdigkeit beschädigen würde."