Frankreich: Camargue:Bunte Wallfahrt zur schwarzen Sara

In der Camargue in Südfrankreich feiern Tausende Sinti und Roma den Glauben an ihre Patronin mit inbrünstigen Gebeten und ausgelassener Musik.

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Zärtlich legt die alte Frau der Holzstatue beide Hände ins Gesicht. Sie verharrt eine Weile, dann zeichnet sie ihr mit dem Daumen ein Kreuz auf die Stirn, streichelt ihr den Kopf und küsst die eigenen Fingerspitzen.

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Hinter ihr drängen sich Dutzende, sie wollen die Statue der heiligen Sara berühren. In der Krypta der Kirche von Saintes-Maries-de-la-Mer ist es so heiß wie in einer Sauna.

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Unzählige Kerzen brennen zu Ehren der Heiligen, Opferlichter in roten Plastikgefäßen und lange weiße Kerzen, die sich in der Hitze zum Boden biegen. Manchmal riecht es nach verbrannten Haaren, wenn im Gedränge jemand einer Flamme zu nahe kommt.

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Die traditionelle Zigeunerwallfahrt in der südfranzösischen Camargue zieht jedes Jahr am 24. Mai Tausende Pilger und Zuschauer an. Der kleine Ort Saintes-Maries wird dann zu einem riesigen Wohnwagenlager. In erster Linie versammeln sich die Menschen zu Ehren der heiligen Sara - aber natürlich auch, um Freunde und Bekannte zu treffen.

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Kleine Mädchen in gerüschten Flamenco-Kleidern laufen herum, ihre Mütter tragen bündelweise lange Kerzen im Arm. Ein Priester stimmt die Menge in der Kirche mit Wechselgesängen auf die Zeremonie ein. Die Statue der dunkelhäutigen Heiligen steht bereits im Mittelschiff. Seit dem Morgen wurden ihr so viele mit Pailletten und Stickereien verzierte Umhänge umgebunden, dass der Kopf gerade noch herausschaut.

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Während des Gottesdienstes wird aus der Oberkirche an Seilen eine Holzkiste mit den Reliquien der beiden Marien heruntergelassen. "Vive les Saintes Maries! Vive Sainte Sara!" rufen die Gläubigen wieder und wieder mit derselben Inbrunst wie Fans in einem Stadion. Der Reliquienschrein sinkt in ein Lichtermeer aus brennenden Kerzen hinein. Einem alten Mann mit Schnäuzer laufen Tränen über die Wangen. Eine Frau beginnt heftig zu schluchzen, jemand nimmt sie in den Arm und klopft ihr beruhigend auf den Rücken.

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Als die heilige Sara aus der düsteren Kirche in die grelle Sonne getragen wird, strecken sich ihr Hände entgegen und Säuglinge werden nach oben gehalten, damit sie ihren rosafarbenen Umhang berühren. Die kaum einen Meter hohe Statue scheint mühelos über die Köpfe der Menge zu gleiten. Ihr Podest wird von vier Männern auf den Schultern getragen - eine Ehrenaufgabe, die in der Familie bleibt.

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Es gibt mehrere Überlieferungen, wie Sara zur Schutzpatronin des fahrenden Volks wurde. Eine von ihnen besagt, dass Sara eine aus Ägypten stammenden Dienerin der heiligen Marien war. Die drei Marien sind nach biblischer Tradition die ersten Zeuginnen der Auferstehung Jesu, sie entdeckten das leere Grab. Maria Magdalena und die beiden Apostelmütter Maria Kleophae und Maria Salome sollen dann mit Sara vor der Christenverfolgung aus Judäa über das Mittelmeer geflohen sein. Kurz vor der Küste erlitten sie Schiffbruch, wurden aber gerettet und begannen im Süden Frankreichs zu missionieren.

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Unterdessen ist die Prozession am Strand angekommen. Das Meer glitzert in der Sonne, die Luft schmeckt nach Salz, und die vielen Menschen wirbeln den feinen Sand auf. "Vive Sainte Sara", tönt es immer wieder.

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An der Spitze des Zuges bahnt ein Dutzend Reiter den Weg durch die Menge. Es sind die Gardians, die Cowboys der Camargue, mit ihren breitkrempigen Hüten und bunten Hemden. "Auf ins Meer", ruft einer von ihnen, die Pferde tänzeln nervös, das Gedränge wird immer dichter. Junge Männer fassen sich an den Händen und bilden Ketten, um eine Schneise für die heilige Sara zu öffnen. Die Träger mit der Holzstatue auf den Schultern waten vorsichtig ins flache Wasser hinaus. Es ist der Höhepunkt der Pilgerfahrt, er erinnert an die Ankunft der heiligen Frauen.

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Nach dem Abendgebet in der alten Festungskirche wird im Dorfzentrum weitergefeiert. Auf dem Kirchplatz spielen Männer Flamenco auf ihren Gitarren. Ein junges Mädchen mit hüftlangen Haaren tanzt mit grazilen Gesten dazu. Ein paar Schritte weiter hat sich ein Kreis um eine Blaskapelle gebildet: zwei Tubas, drei Trompeten, ein Schlagzeug. Der Rhythmus wird immer schneller, die Zuhörer klatschen, wippen mit den Füßen, fangen an zu tanzen. So geht es weiter, immer weiter bis spät in die Nacht.

© Ulrike Koltermann, dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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