Noch eine letzte Wolkenschicht und man kann schon wieder den Boden sehen. Vor wenigen Minuten erst ist das Flugzeug abgehoben, nun gleitet es erneut sanft der Erde entgegen. Unter dem Rumpf des Jets ziehen Straßen und Häuser vorbei. Drinnen, im Cockpit, ist das tiefe Dröhnen der drei Triebwerke zu hören, ansonsten herrscht konzentrierte Stille. Bis zur Landung sind es nur noch wenige Sekunden.
Felix Gottwald drückt auf Pause. Er lehnt sich zurück und betrachtet das Standbild auf dem Monitor. "Das war jetzt meine dritte Tour nach Montevideo", sagt er. Auf dem Bildschirm sieht man, wie er als Kopilot das Flugzeug vom Typ McDonnell-Douglas MD-11 dirigiert. Die Kamera hat er vor dem Start mit einem Saugnapf am hinteren Seitenfenster befestigt, sie zeichnet alles automatisch auf.
Nun sitzt der 28-jährige Pilot wieder an seinem Rechner zu Hause in Dresden und schaut sich an, ob die Aufnahmen etwas geworden sind. "Sieht gut aus", sagt er.
Wann immer es seine Arbeit hinter dem Steuer bei Lufthansa Cargo erlaubt, macht er nebenbei Fotos und Videos von seinen Flügen. Seit 2011 veröffentlicht er die Aufnahmen im Internet, vor allem in den sozialen Netzwerken Facebook, Youtube und Twitter sowie auf seiner eigenen Internetseite.
Gottwald ist einer von insgesamt gut einem Dutzend Linienpiloten, die vom Cockpit aus professionelle Bilder machen. Seine Fotos zeigen Starts und Landungen auf exotischen Flughäfen, spektakuläre Landschaften aus der Luft, Flugzeuge in seltenen Lackierungen. Doch es sind meist die Fotos und Videos aus dem Cockpit, die am häufigsten angeklickt werden - der Blick nach vorn bleibt den meisten Menschen während eines normalen Fluges schließlich verwehrt.
Im Vergleich zu den anderen Piloten, die nebenbei filmen und fotografieren, ist Felix Gottwald in zweifacher Hinsicht ein Exot. Zum einen ist sein Flugzeug, die MD-11, recht selten. Nur 200 Exemplare wurden jemals gebaut, davon sind die jüngsten bei Lufthansa Cargo im Einsatz. Aviatik-Fans schätzen das, denn Bilder von einer MD-11 sind rar. Ein "tolles Gerät" nennt Gottwald sein Flugzeug. Das hat unter anderem auch mit den großen Cockpit-Fenstern zu tun, die der Kanzel im Pilotenjargon den Spitznamen "Wintergarten" eingebracht haben.
Luft-Bilder: Wann immer es seine Arbeit am Steuerknüppel erlaubt, hält Felix Gottwald Flugzeugmotive im Bild fest.
Sein Erfolg in den sozialen Netzwerken lässt auf großes Interesse an den Fotos und Videos des Piloten schließen.
Seit 2011 veröffentlicht Gottwald die Aufnahmen im Internet: auf Facebook, Youtube und Twitter sowie auf seiner eigenen Internetseite.
Seine Fotos zeigen Starts und Landungen auf exotischen Flughäfen, spektakuläre Landschaften aus der Luft, Flugzeuge in seltenen Lackierungen.
Zum anderen fliegt Gottwald oft Strecken, die von europäischen Passagiergesellschaften nur selten ins Programm genommen werden - und sieht damit Landschaften und Airports, die man als Fluggast sonst kaum zu Gesicht bekommt. Buenos Aires-Montevideo, das ist so eine Strecke. Dazu kommen Ziele in Afrika, Asien und Sibirien.
Welche Motive am besten ankommen, das lässt sich leicht anhand der Klicks auf Facebook ablesen. Insgesamt haben mehr als 5000 Menschen die Facebook-Seite von Gottwald abonniert, darüber hinaus folgen ihm mehr als 400 Personen auf Twitter und auf Youtube haben sich inzwischen fast 80 000 Menschen seine Videos angesehen. Die Piloten anderer Airlines, die nebenbei filmen und fotografieren, erreichen ähnlich gute Werte.
Um zu erfahren, wo Felix Gottwalds Begeisterung für die Fliegerei und für das Fotografieren ihren Anfang nahm, muss man den Ort wechseln. Die Besucherterrasse des Dresdner Flughafens ist von seiner Wohnung nur etwa 20 Minuten mit dem Auto entfernt.
"Früher habe ich mich oft mit meiner Kamera hier aufgebaut, meist von morgens bis nachmittags", sagt Gottwald und schaut durch die Glasscheiben auf das Rollfeld. Die vielen unterschiedlichen Flugzeuge haben ihn interessiert, ihre Formen, ihre Herkunft, ihre Geschichten. "Damals gab es viel mehr unterschiedliche Typen als heute", sagt er.
Das Interesse an der Fotografie beginnt mit einer analogen Spiegelreflexkamera, da ist Gottwald gerade 13 Jahre alt. "Ein Geschenk meiner Familie, die haben dafür alle zusammengelegt", erinnert er sich. Nach Abitur und Wehrdienst bewirbt er sich bei der Lufthansa - und wird genommen. Nach der Pilotenausbildung fliegt er drei Jahre lang Passagiermaschinen von München aus quer durch Europa. Seit 2011 ist er Cargo-Pilot.
Die Farben auf der Erde wirken ganz anders, wenn man aus großer Höhe fotografiert
Wenn Gottwald während des Flugs fotografiert oder filmt, dann hat er die Geräte meist auf Automatikmodus geschaltet. "Von Hand fotografiere ich nur, wenn es die Arbeit im Cockpit erlaubt", sagt er. "Im Zweifelsfall geht die Sicherheit vor."
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Niemals soll ihm passieren, was einem Piloten der britischen Luftwaffe im Februar dieses Jahres widerfahren ist: Weil dessen Spiegelreflexkamera sich zwischen Sitz und Steuerknüppel verhakt hatte, ging das Flugzeug vom Typ Airbus A330 über der Türkei in einen Sturzflug über, sackte fast zwei Kilometer tief ab. "Ich sichere meine Kamera an Bord doppelt und dreifach ab, damit so etwas nie passiert", sagt Gottwald. Von Lufthansa Cargo hat er sich die Fotografie an Bord genehmigen lassen.
Den Stil seiner Fotografien beschreibt Gottwald mit einem Wort: puristisch. "Ich mag es nicht, wenn die Bilder stark verfälscht sind." Zwar bearbeitet er jedes gelungene Foto am Computer nach. Aber nur, wie er sagt, damit es am Ende so aussieht wie er die Szene mit dem bloßen Auge gesehen hat. "Im Cockpit ist es immer schwierig, die richtige Belichtung zu finden", weiß der 28-Jährige. "Draußen ist es meist sehr hell, drinnen dunkel. Und in der engen Kanzel sind natürlich auch die Perspektiven begrenzt."
Im Idealfall versucht er, das Flugzeug und eine spannende Landschaft zusammen auf ein Bild zu bekommen. "Interessant ist, dass die Farben auf der Erde ganz anders wirken, wenn man aus dem Reiseflug herunter fotografiert", hat Gottwald beobachtet. Zwischen der Linse und dem Boden sind im Flug meist zehn Kilometer Luft - mit unzähligen Staubpartikeln. Auch die mehrfachverglasten Cockpitfenster mit den Isolierungsschichten dazwischen machen die Arbeit des Fotografen nicht leichter.