Ein Pilot war krank, eine Entschädigung für die Verspätung gibt es nicht. Das bekamen sowohl Erwin Gierl als auch Roger Wildner von der Lufthansa zu hören, nachdem ihre Flüge jeweils rund sechs Stunden verspätet am Ziel ankamen. Beide gaben sich damit nicht zufrieden. Sie forderten einen Ausgleich nach der EU-Fluggastrechteverordnung. Am Ende hatten sie Erfolg.
Erwin Gierl und seine Frau bekamen zusammen 500 Euro für ihren Flug von Nizza nach München. Roger Wildner und seine Partnerin erhielten für ihren Rückflug von Indien nach Deutschland 1 200 Euro. An ihr Geld kamen die Paare auf unterschiedlichen Wegen. Die Gierls nutzten den Inkassodienst Fairplane und mussten ihm 135 Euro für seine Arbeit bezahlen, als der Erfolg feststand. Die Firma hatte die Entschädigung durchgesetzt und das Kostenrisiko übernommen. Roger Wildner kam mit einem Anwalt zum Erfolg. Die Kosten musste die Lufthansa tragen.
Der Weg über die Fluggasthelfer
Seit dem 1. November 2013 können verärgerte Fluggäste auch eine Schlichtungsstelle zur außergerichtlichen Beilegung des Streits mit der Airline einschalten. Finanztest beleuchtet die Vor- und Nachteile der drei Wege zum Geld. Die neue Möglichkeit der Schlichtung ist für Fluggäste besonders attraktiv: Sie ist kostenlos und eröffnet die Chance auf eine Entschädigung ohne Abzüge. Wildner und Gierl konnten sie noch nicht nutzen. Ihre Flüge fanden 2012 statt. Die Schlichter kümmern sich nur um Neufälle seit November 2013.
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An die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (Söp) in Berlin können sich alle wenden, die mit Air Berlin, Lufthansa, Germania, Germanwings, Condor oder Tuifly geflogen sind. Auch viele ausländische Fluggesellschaften wie etwa Ryanair und Easyjet sind angeschlossen. Ist die Söp nicht zuständig, kann die Schlichtungsstelle beim Bundesjustizamt helfen. Beide Stellen kümmern sich aber derzeit nicht um Beschwerden von Geschäftsreisenden.
Schlichtung auch bei Gepäckärger
Bevor ein Schlichter tätig wird, muss der Fluggast versucht haben, seine Ansprüche direkt bei der Airline geltend zu machen. Erst nach zwei Monaten ohne Erfolg sind die Schlichter dran. Beschwerdeformulare finden sich auf den Internetseiten der Schlichtungsstellen. Die Schlichter kümmern sich nicht nur um Entschädigungen für verspätete oder gestrichene Flüge. Sie sind auch zuständig, wenn Gepäck verlorengegangen ist oder die Fluggesellschaft eine notwendige Taxifahrt oder Hotelübernachtung nicht bezahlt. Die privaten Inkassodienste EUclaim, Fairplane, Flightright und Refund.me verfolgen solche Ansprüche für den Fluggast dagegen nur in Einzelfällen.
Ein Schlichterspruch ist sowohl für den Fluggast als auch für die Airline unverbindlich. Akzeptiert die Fluggesellschaft eine für den Passagier günstige Schlichtungsempfehlung nicht, muss er seinen Anspruch auf anderem Weg weiterverfolgen. In der Regel wird er dann die Hilfe eines Rechtsanwalts oder eines der privaten Inkassodienste benötigen. Für Erwin Gierl und seine Frau war der Inkassodienst Fairplane die richtige Adresse. Sechs Monate, nachdem sie ihren Fall dort eingereicht hatten, zahlte die Lufthansa die anfangs verweigerten 500 Euro. Davon gingen 135 Euro an Fairplane und die übrigen 365 Euro an das Paar Gierl.
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Viel Arbeit hatten die beiden Bayern nicht. Sie mussten lediglich ihre Flugdaten auf der Internetseite von Fairplane eingeben, die Flugtickets an das Unternehmen schicken und dem Anwalt von Fairplane eine Vollmacht erteilen.
Die Unternehmen betreiben das Inkasso für den Fluggast notfalls mit Rechtsanwalt und Klage. Zahlt die Fluggesellschaft schließlich, erhält die Firma eine Erfolgsprovision, je nach Anbieter bis zu 30 Prozent (siehe Tabelle). Kann der Anbieter für den Passagier nichts erreichen, hat dieser keine Kosten. Anwalt und Gericht bezahlt der Inkassodienst. Die Dienste sind auch eine Alternative für alle Fluggäste, die sich scheuen, ihre Ansprüche gegenüber der Fluggesellschaft zunächst einmal selbst zu formulieren. Selbst für Kunden mit Rechtsschutzversicherung sind sie interessant. Denn wer die Versicherung einschaltet und verliert, muss oft eine Selbstbeteiligung von 150 Euro zahlen.
Roger Wildner und seine Partnerin Brigitte Willimek waren allerdings nicht zufrieden mit ihrem Dienstleister. Vier Monate, nachdem das Paar seinen Fall der Firma Flightright zur Prüfung übergeben hatte, meldete diese sich mit einer negativen Entscheidung. Die Chance, vor Gericht eine Ausgleichszahlung durchzusetzen, sei in Wildners Fall als äußerst schlecht einzustufen, heißt es in der Absage. Roger Wildner ließ sich dennoch nicht entmutigen. Er ging zum Anwalt.
Dieser forderte die Lufthansa schriftlich auf, 1 200 Euro zu zahlen, und hatte neun Tage später die Zusage. Bei Flightright hätten Wildner und seine Partnerin von den 1 200 Euro rund 360 Euro Erfolgsprovision abgeben müssen. Nun bleibt ihnen die Summe ohne Abzüge, denn die Kosten für den Anwalt muss die Fluggesellschaft übernehmen.
Nicht für jeden die richtige Adresse
Wildners Erfahrung zeigt, dass die Dienste nicht für jeden die richtige Adresse sind. Eine Absage von dort bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Fluggast keinen Anspruch auf eine Entschädigung hat. Flightright-Geschäftsführer Philipp Kadelbach hält die ablehnende Antwort an Roger Wildner für einen Einzelfall.
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Inzwischen hat die Firma aus Potsdam ein "Qualitätsversprechen" eingeführt. Jeder, der mit Flightright keinen Erfolg hat, aber anschließend mit einem Anwalt, einer Schlichtungsstelle oder einem anderen Inkassodienst zum Ziel kommt, soll von Flightright nachträglich 50 Euro erhalten.
Dienste sehen Schlichtung kritisch
Den Start der Schlichtungsstellen sehen die gewinnorientierten Inkassodienste kritisch. Sie befürchten, dass die Fluggäste über die Schlichtung nur einen Bruchteil der Entschädigung erreichen, die ihnen zusteht. Einen Versuch sind die Schlichter aber auf jeden Fall wert. Denn rechtlich riskieren die Kunden nichts. Während des Schlichtungsverfahrens können die Rechte der Fluggäste nicht verjähren. Und wenn ihnen das Ergebnis nicht gefällt, können sie immer noch andere Wege gehen.
Ein Prozess mithilfe eines Anwalts ist immer mit einem Risiko verbunden. Klagt ein Flugpassagier auf Zahlung von 600 Euro und verliert er, hat er rund 770 Euro für den eigenen Anwalt, das Gericht und die Gegenseite zu zahlen. Eine Alternative zur Klage auf eigenes Risiko sind die privaten Unternehmen EUclaim, Fairplane, Flightright und Refund.me. Sie verdienen ihr Geld als Inkassodienst für Fluggäste.
Die Dienste streiten für den Passagier mit der Fluggesellschaft und tragen die Kosten, wenn eine Klage scheitert. Im Gegenzug bekommen sie bei Erfolg bis zu 30 Prozent Provision. Die Fluggasthelfer übernehmen ausschließlich erfolgversprechende Fälle. Sie picken sich die Rosinen heraus. Manchmal sind die Dienste sogar zu vorsichtig und lehnen Passagiere ab, die gute Chancen auf eine Entschädigung haben - so wie Flightright im Fall von Roger Wildner.
Tückische Klauseln
Manchmal zeigt sich eine Fluggesellschaft nach dem Auftreten eines Inkassodienstes kompromissbereit und bietet einen Teil der Entschädigung oder einen Fluggutschein statt einer Entschädigung in bar an (Vergleich). Ob der Passagier ein solches Vergleichsangebot annimmt, entscheidet er - nicht der Dienst. Aber: Die Geschäftsbedingungen von Fairplane erlauben es dem Dienst, zum Beispiel von der Fluggesellschaft angebotene Fluggutscheine abzulehnen, ohne vorher die Einwilligung des Passagiers eingeholt zu haben.
Flightright konnte bislang die Übernahme weiterer Kostenrisiken verweigern, wenn der Dienst die Annahme eines Vergleichsangebots für "wünschenswert" hielt, der Fluggast aber nicht. Nach einer Finanztest-Anfrage strich Flightright diese Klausel aus den Bedingungen. Nach den aktuellen Flightright-Konditionen darf der Dienst dem Fluggast bei Vergleichen aber zusätzlich zur Provision Anwalts- und Gerichtskosten in Rechnung stellen, wenn diese nicht die Airline zahlt. Laut Philipp Kadelbach, Geschäftsführer von Flightright, kommt das selten vor.
Teure Kompromisse
EUclaim behält sich bei Kompromissen mit der Fluggesellschaft vor, die Provision auf Basis der zu Anfang geforderten Summe zu berechnen. Beispiel: Akzeptiert der Kunde ein Angebot von 400 Euro statt der geforderten 600 Euro, zahlt er als Provision 27 Prozent von 600 Euro, also 162 Euro - plus der immer fälligen 25 Euro. Jan Rameken von EUclaim bestätigt, dass die Vertragsbedingungen das zulassen. "Tatsächlich rechnen wir aber immer nur auf Basis der wirklich gezahlten Summen ab."
Passagiere beauftragen die Inkassofirma, Geld einzutreiben. Wenn der Fall dem Anwalt des Dienstes übergeben wird, hat der Fluggast aber mit diesem direkt einen Vertrag. Geht ein Dienst während eines Prozesses pleite, könnte der Passagier zum Beispiel auf den Anwaltskosten der Airline sitzenbleiben, wenn er verliert.
Informationen
Recht: War Ihr Flug mehr als drei Stunden verspätet oder wurde er annulliert, können Ihnen je nach Strecke zwischen 250 und 600 Euro Entschädigung zustehen. Voraussetzung: Der Startflughafen oder ein Sitz der Airline müssen in der EU liegen.
Frist: Sie haben ab Ende des Jahres, in dem der Flug lag, drei Jahre Zeit, um Ihren Anspruch geltend zu machen. Bis Ende 2014 können Sie also noch die Entschädigung für Flüge aus dem Jahr 2011 verlangen.
Beschwerde: Wenden Sie sich erst an die Airline, dabei hilft ein Formular aus dem Internet ( www.goo.gl/Fyhxw6). Blockt diese ab, können Sie sich mit Flügen ab November 2013 an einen Schlichter wenden ( siehe Adressen). Ist die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (Söp) nicht zuständig, leitet sie Ihre Beschwerde an die Schlichter beim Bundesjustizamt weiter. Verläuft die Schlichtung erfolglos, kann Ihnen ein Anwalt oder ein Inkassodienst helfen.
Hilfe: Wollen Sie gar nichts selbst schreiben, können Sie direkt zum Inkassodienst oder Anwalt gehen.