Dass der Tannerhof in Bayrischzell kein gewöhnliches Luxushotel ist, ahnt der Gast spätestens, wenn er sein Zimmer betritt und neben der Seife am Waschbecken ein blaues Fläschchen entdeckt; daneben eine Gebrauchsanweisung mit der Aufforderung, man möge das Fläschchen bitte immer vor Verlassen des Zimmers zur Hand nehmen - zur Desinfektion. Die Ahnung wird zur Vermutung, sobald der Gast liest, dass es in allen Zimmern und Hütten weder Fernsehen noch Wlan gibt und im ganzen Haus (inklusive Balkon und Terrasse!) nicht geraucht werden darf.
Die Vermutung wird zu Gewissheit, wenn der Gast bei der Führung durch die alte Tann mit ihren vielen Anbauten und Hütten drum herum erfährt, dass der schönste Raum mit Bergpanorama schon seit jeher der "Speisesaal" für die Heilfastenden ist - und die Inhaber des Tannerhofs in vierter Generation Ärzte sind. Vom Schwimmbad bis zur Praxis der aktuellen Hotelchefin Burgi von Mengershausen (Allgemeinmedizinerin) und ihres Mannes Roger Brandes (Facharzt für Innere Medizin) sind es nur ein paar Schritte.
Spätestens jetzt also ist klar: Gesundheit ist im Tannerhof kein Marketing-Slogan, sondern eine Religion. Und zwar keine neumodische. "Mensch werde wesentlich" prangt in alter Handschrift noch an der Tür des Hotelladens. Was 1904 mit dem Arzt und Naturheilkundler Christian von Mengershausen auf dem Hof über Bayrischzell begann, gilt heute mehr denn je: Verzicht befreit - auch beim Essen. Die nicht fastenden Gäste müssen sich abends nicht durch lange Speisekarten quälen. Gegessen wird, was auf den Tisch kommt. Natürlich ist alles bio, nachhaltig und slow, vor allem aber (so viel sei allen Fastenden verraten): ausgezeichnet.
Die durch Keinhandykeinfernsehenkeinespeisekarte gewonnene Zeit kann der Gast dann in Konzerte, Vorträge und Kunstseminare im Hotel investieren. Oder anders gesagt: in Geist und Seele.
Doppelzimmer ab 115 Euro p. P. inklusive Dreiviertelpension, www.natur-hotel-tannerhof.de