Aktiv-Reisen: Asien:Tarzan in Thailand

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Früher brauchten Dschungelhelden Muskelkraft und Lianen, heute sind Touristen mit Seilen gesichert: Im thailändischen Regenwald kann man sich drei Kilometer weit von Baum zu Baum schwingen.

Sebastian Hepp

Nur noch wenige Sekunden, dann wird sich der Mutigste aus unserer Gruppe von der hölzernen Plattform abstoßen und zu seinem Jungfernflug starten. Schon schließen sich die Finger der einen Hand um den Bügel der Laufrolle, die auf dem Drahtseil befestigt ist, während die andere nach dem Seil greift, an dem jeder in seinem Sitzgurt hängt. Den passenden Schutzhelm haben Douk und Jack, unsere beiden thailändischen Führer, den Debütanten aus Deutschland bereits bei der technischen Einweisung zu Beginn der Tour herausgesucht.

"Ready?", fragt Douk. Auf das tapfere "Yes" hin löst er den Karabinerhaken am Sicherheitsseil und gibt dem Probanden, der inzwischen eine Hockposition eingenommen hat, einen leichten Schubs.

Ein spitzer Schrei, dann halten alle den Atem an: Der Pionier saust hoch über dem üppigen Grün des Regenwaldes etwa 80 Meter an dem leicht durchhängenden Drahtseil entlang, um sich schließlich, die Füße voraus, auf die Plattform am anderen Ende zu schwingen. Sie ist ebenfalls um einen dicken Baumstamm herum gebaut worden. Jack, der die Ankömmlinge nach und nach in Empfang nimmt, kann die Landung der schweren Jungs, die mit ziemlich hoher Geschwindigkeit angerauscht kommen, immerhin ein wenig abpuffern.

"Flight of the Gibbon" nennt sich das etwa dreistündige Baumkronen-Abenteuer, das durch ein Stück Regenwald in der Provinz Chonburi führt, auf halber Strecke zwischen Bangkok und Pattaya. Der Hochseilgarten grenzt an das Chom Puo Wildlife Sanctuary, ein Naturschutzgebiet, in dem eine Reihe von seltenen Wildtieren wie Riesen-Eichhörnchen, Bären, Hirsche, Nashornvögel und die wenigen noch verbliebenen Gibbon-Affen leben. Als menschlicher Affe, der sich lachend und laut schreiend an Drahtseilen von Baum zu Baum schwingt, sieht man verständlicherweise von all den scheuen Tieren nicht einmal eine Spur.

Die Fortbewegung mittels dieser "Canopy" genannten Spaßsportart gelingt aber von Etappe zu Etappe besser. Saßen die Teilnehmer der Tour (drei Frauen und drei Männer) anfangs noch ziemlich verkrampft in ihrem Gurt und ließen es eher langsam angehen, so können sie den Nervenkitzel während der Flugphase bald schon geradezu genießen. Schon kommen die ersten freihändig angerauscht, begleitet von den Anfeuerungsrufen ihrer Mitstreiter. Wer die nächste, wieder um ein Stück länger und schwieriger gewordene Etappe gemeistert hat, steht erleichtert auf der Plattform und assistiert beim Landeanflug seines Nachfolgers - oder hat die Kamera bereits zum Schnappschuss gezückt.

Schließlich lassen wir uns, von Jack und Douk professionell gesichert, zu Tandems zusammenspannen und genießen den kurzen Rausch des Fliegens gemeinsam. Auch diejenigen, die sich anfangs noch am Seil festhielten, lassen jetzt immer öfter los und vertrauen dem Klettergurt. Mit einem Mal nimmt man auch den Dschungel ringsum wieder wahr, taucht ein in die Stille, wenn gerade niemand vor Begeisterung herumkrakelt, und spürt die Erhabenheit dieser mächtigen, hoch aufragenden Regenwaldriesen.

Die Frage, ob es nicht verwerflich ist, mit einem solch technisierten Spektakel die Stille der Natur zu zerstören, beschäftigt den adrenalingesteuerten Canopy-Abenteurer eher nur kurz. Denn schon geht es weiter zur nächsten Station der Tour, die mit mehr als drei Kilometern laut Eigenwerbung die längste in Thailand ist. Sie verfügt über 24 Plattformen, die durch Seile von 50 bis zu 300 Metern Länge miteinander verbunden sind. Zum Dschungel-Abenteuer gehören auch Phasen, in denen die Teilnehmer leicht schwankende Hängebrücken überqueren oder sich mit Hilfe der thailändischen Führer gut 20 Meter bis zu einer tiefer gelegenen Plattform abseilen müssen - für nicht absolut Schwindelfreie eine Herausforderung.

Die sogenannten Sky-Ranger begleiten jede Gruppe auf der gesamten Strecke und passen sich dem Niveau der Teilnehmer an, deren Sicherung für sie oberste Priorität hat. Wenn schließlich die letzte, 300Meter lange, Seilstrecke geschafft ist, dann hat der Spaß der Canopy-Tour letztlich auch einem guten Zweck gedient: Zehn Prozent des Erlöses fließen nach Angaben der Veranstalter in ein Aufforstungsprojekt zum Erhalt des thailändischen Regenwaldes. Der hat das auch bitter nötig, denn neben anderen Tieren drohen auch die Gibbons allmählich ganz zu verschwinden.

Informationen:

Anreise: Hin- und Rückflug mit Thai Airways nach Bangkok ab 750 Euro, www.thaiair.de

Hochseilgarten: Von Bangkok sind es etwa 90 Minuten im Bus bis zum Ausgangspunkt der Hochseilgarten-Tour, die auch im Internet gebucht werden kann und 2300 Baht (etwa 65 Euro) kostet. Inkludiert ist der Bustransfer, die dreistündige Tour und ein Mittagessen. www.treetopasia.com

© SZ vom 20.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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